News aus dem Thurgau

Als der Reformator durch Stein am Rhein ritt

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22.03.2018
Das Kloster St. Georgen in Stein am Rhein ist Co-Star im «Zwingli»-Film, der im nächsten Jahr in die Kinos kommt. Die Filmemacher haben Drehort und Filmidee bei eisigen Minustemperaturen vorgestellt.

«Ist dieser Rossbollen echt?» Die Frage kommt vom Schaffhauser Schauspieler Patrick Rapold und richtet sich an Regisseur Stefan Haupt. Der führt, in einen dicken Parka eingehüllt, bei minus elf Grad auf dem Hof des Klosters St. Georgen in Stein am Rhein die fröstelnden Medienvertreter  durch das Filmset des «Zwingli»-Films, der im Januar 2019 in die Schweizer Kinos kommt. Patrick Rapold spielt im Kinofilm die Rolle von Zwinglis Weggefährten Heinrich Bullinger. 

Ja, der Rossbollen auf dem Boden ist echt. Und wir befinden uns auch nur zum Schein auf dem Steiner Klosterareal. In Wahrheit befinden wir uns in Zürich an der Limmat im Jahr 1519. Wir stehen vor dem Wirtshaus Rössli, wo Huldrych Zwingli seine spätere Ehefrau Anna Reinhart kennenlernt, drehen den Kopf und schauen in die Zürcher Kirchgasse. Vermittelt wird dieser Eindruck, weil über den Eingang der Steiner Rhigass eine mit Häusern bedruckte Blache gespannt ist, auf die verschiedene Motive projiziert werden. «Ganze Prozessionszüge biegen so virtuell um die Ecke», erzählt Stefan Haupt. «Bald werden hier auch 13 echte Pferde durchgaloppieren, um in den Kappeler Krieg zu ziehen.» 

Wir gehen vorbei an einem Ablass-Stand und an einem groben Pranger bis zum Fischmarkt. Hier richtet die Crew die Plätze für Korber, Fischer und den Schmied ein. Wir machen Halt am Durchgang zum Rhein alias Limmat. Hier wird der Täufer Felix Mantz später in den Fluten ertränkt. «Das wird morgen ein Stunt in viergrädigem Wasser», bemerkt Haupt und erläutert, dass Zwinglis Rolle bei der Verurteilung von Mantz vielschichtig war. «Es gibt verschiedene Überlieferungen und viel Raum für Interpretationen.» 

Weiter gehts ins Innere des Klosters, das als Zürcher Rathaus dient. Dort besichtigen wir das Bürgermeisterzimmer mit Blick auf den Rhein und im ersten Stock die Wohnung von Zwingli mit Stube, Schlafraum und Arbeitszimmer. Hier stehen bald Zwinglis Arbeitstisch und seine kostbare Büchersammlung. Im Bischofszimmer befinden sich Wandmalereien aus dem Jahr 1516. Der deutsche Kameramann kommentiert begeistert: «Ich kann es nicht fassen, dass wir hier herein dürfen.» 

Kein religiöser Film
«Dass wir diesen Drehort gefunden haben, ist ein Glücksfall», sagt Stefan Haupt. «Die Voraussetzungen im Kloster St. Georgen ermöglichen es , das mittelalterliche Zürich glaubhaft nachzuzeichnen.» Es sei anspruchsvoll, eine Epoche zu zeigen, die 500 Jahre in der Vergangenheit liegt. «Wir haben zwangsläufig die Brille der heutigen Zeit auf und müssen uns vorstellen, wie es damals war. Die Herausforderung ist, Authentizität zu vermitteln, ohne ein Freilichtmuseum zu zeigen», sagt der Regisseur.

Der «Zwingli»-Film spielt in den zwölf Zürcher Jahren des Reformators und ist eine Produktion der Zürcher C-Films AG. Die Handlung erzählt vom schnellen Erfolg Zwinglis und von den zunehmenden Schwierigkeiten, die im Bürgerkrieg münden. «Wir zeigen einen Menschen, der sich verstrickt in die Angst, dass die Habsburger kommen und die Altgläubigen an die Macht gelangen. Zwingli fasst den Entschluss, sich zu wehren und zu mutig sein.»

Ein religiöser Film  soll «Zwingli» jedoch nicht werden. «Wir drehen einen historischen Film über einen Mann, der im ausgehenden  Mittelalter die Weitsicht hatte, das System zu hinterfragen. Das ist einzigartig. In der Schweiz sollte man solchen Personen eine Plattform geben», sagt die Produzentin Anne Walser von C-Films. 

Die Annäherung an das Thema sei ein langer Prozess gewesen. «Ein solches Projekt bedeutet eine extreme Verantwortung, davor habe ich grossen Respekt», sagt Drehbuchautorin Simone Schmid. «Ich habe sehr viel über Zwingli und seine Zeit gelesen und mich mit Experten unterhalten.» Seit Juli 2014 hat Simone Schmid  zusammen  mit Stefan Haupt 15 Drehbuchfassungen geschrieben. «Manchmal haben wir alles über den Haufen geworfen, weil wir daran gezweifelt haben, ob der Ansatz richtig sei», sagt sie. «Klar war für mich, dass mich Zwinglis Frau interessiert», so Schmid. «Wir erzählen die Geschichte aus der Sicht von Anna Reinhart und zeigen die Reformation auf mehreren Ebenen. Zwingli, der gegen Aus-sen kämpft, und Anna, die eine innere Reformation erlebt und zu einem neuen Glauben findet.» 

Sechs Millionen Franken teuer
Die Filmemacher wollen Zwingli als Mensch mit Stärken und Schwächen zeigen. «Ich war überrascht, wie negativ der Name Zwingli behaftet ist», sagt Stefan Haupt. «Vieles an diesem Bild ist falsch. Er hat zwölf Instrumente gespielt und komponiert. Er hat das staatliche Sozialwesen und das Eherecht eingeführt und erkannt, wie wichtig Bildung ist. Angesichts des heutigen sozialen Abbaus sind das brandaktuelle Themen. 

Gedreht wird an rund 40 Drehtagen in Zürich und Stein am Rhein. Der Film wird mit rund 6 Millionen Franken Produktionskosten einer der teuersten Filme in der Schweizer Filmgeschichte sein. Im Film wirken über hundert Statisten mit, viele davon aus dem «No ä Wili»-Verein Stein am Rhein, der die  Kostüme, Requisiten und Tiere wie Pferde und Schweine stellt. Die Zusammenarbeit ist für beide Seiten wertvoll. «Wir freuen uns über die Aufmerksamkeit, die unsere Stadt durch den «Zwingli»-Film gewinnt», sagt Stadtpräsident Sönke Bandixen. 

Dafür nimmt das Städtchen einiges in Kauf, so wird die Rheinbrücke für mehrere Tage gesperrt bleiben. «Die Bewohner sind auf den Filmdreh eingestellt. Viele von ihnen spielen als Statisten mit und laufen schon seit Wochen mit Bärten herum», sagt der Stadtpräsident. Ehrensache, dass die Vorpremiere zum Kinofilm «Zwingli» im Januar 2019 im Kino Schwanen in Stein am Rhein stattfinden wird. 

Adriana Schneider, kirchenbote-online, 22. März 2018

www.zwingli-film.ch

 

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