News aus dem Thurgau

Am Anfang stand das gedruckte Wort

min
08.07.2016
Sommerserie «Wege der Reformation» (2): Ohne Basel, Buchdruck und Erasmus von Rotterdam keine Reformation. Gleich drei Ausstellungen und Rundgänge beschäftigen sich mit dem Humanisten und zeigen, dass dieser Gedanke nicht so abwegig ist.

Wer in Basel über die Mittlere Brücke schlendert, dem fällt auf dem grauen Trottoir der weisse Schriftzug «ERASMUS MMXVI» auf. Erasmus von Rotterdam ist zurzeit allgegenwärtig in der Stadt am Rheinknie. Vor 500 Jahren liess der Humanist hier ein Werk drucken, das die Reformation entscheidend beförderte und als Meilenstein der Basler Buchdruckgeschichte gilt.

Begonnen hat alles im mittelalterlichen Totengässlein im Herzen der Stadt. Im Haus «Zum Sessel», dem heutigen Sitz des Pharmazie-Historischen Museums, befand sich die Werkstätte des berühmten Basler Buchdruckers Johannes Froben. Ohne den Buchdruck wäre die Reformation nicht so verlaufen, wie sie heute in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist.

Zentrum für Gelehrte aus ganz Europa
Die Druckerei war einer der Hauptgründe, weshalb Erasmus von Rotterdam nach Basel kam. Hier entstanden seine wichtigsten Werke und hier hat er vorübergehend gewohnt. Durch die Zusammenarbeit von Froben und Erasmus wurde das Haus «Zum Sessel» zu einem Zentrum für Humanisten und Gelehrte aus ganz Europa. 1516 druckte Johannes Froben die von Erasmus herausgegebene griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments, das «Novum Instrumentum».

Selbst Hand anlegen an der Druckpresse
In die ehemaligen Räume der Froben‘schen Druckerei kehrt von Juli bis September wieder Leben ein. Im Rahmen der Sonderausstellung «Setting Erasmus» stehen zwei historische Druckerpressen jeweils von Dienstag bis Samstag von 12 bis 14 Uhr in Betrieb. Besucherinnen und Besucher können selber Hand anlegen. Zudem werden Meisterwerke humanistischer Druckkunst gezeigt.

Erasmus glaubte, dass sich das wahre Bild Christi nicht dem Betrachter berühmter Gemälde, sondern allein dem Leser des Neuen Testaments offenbart: Das Evangelium sei eben das «bessere Bild Christi». Dies nimmt die Ausstellung «Das bessere Bild Christi» im Basler Münster zum Anlass, um Erasmus’ Werk näher vorzustellen. Sie präsentiert byzantinische Handschriften, die Erasmus als Vorlagen dienten, sowie kostbare Teile aus seinem Nachlass, der zu den grössten Schätzen der Basler Universitätsbibliothek zählt.

Mit seinem «Novum Instrumentum» begründete Erasmus die neuzeitliche Bibelwissenschaft. Vor dem idealen historischen Hintergrund, im Hochchor des Basler Münsters, bietet die Ausstellung eindrückliche Einblicke in das Denken und Arbeiten des Humanisten. Erasmus von Rotterdam bekannte sich zeitlebens nie zur damals brodelnden religiösen und politischen Kraft der Reformation, und doch gilt er als einer ihrer entscheidenden Wegbereiter. Mit seiner Botschaft, weder starre Tradition noch kirchlicher Prunk, sondern alleine der biblische Text stehe im Zentrum des christlichen Glaubens, hat er den Geist seiner Zeit getroffen.

Spurensuche in der Stadt
Der «katholische Reformator» Erasmus hinterliess in Basel viele Spuren. Das Museum für Geschichte hat für den Basler Stadtraum einen 60-minütigen «Audiowalk» entwickelt – einen Rundgang, bei dem die Teilnehmer in eine literarische Auseinandersetzung rund um das Gedankengut des Erasmus eintauchen. Auch im Museum selbst, in der Barfüsserkirche, setzt das Historische Museum auf «virtuelle und erweiterte Realität». Besucher durchlaufen Stationen aus Erasmus’ Leben, begegnen einigen seiner Freunde und lernen seine Haltung kennen. Für den Besuch der Ausstellung und den Rundgang kann man eine App auf das eigene Smartphone herunterladen. Wer einen konventionellen Rundgang bevorzugt, für den führt Basel Tourismus monatlich eine Tour zum Thema «Reformation» durch.

Übrigens: Einer von Erasmus' Mitarbeitern bei der Edition des «Novum Instrumentum» war Johannes Heussgen, besser bekannt unter dem Namen Oekolampad. Der Basler Reformator kam erstmals 1515 nach Basel, das damals noch Bischofssitz war. Oekolampad predigte im Münster und lehrte an der Universität. Der lutherische Theologe genoss hohes Ansehen, erreichte aber nicht den Ruf von Zwingli. Oekolampad starb 1531, fünf Jahre vor Erasmus. Beide sind im Münster begraben. Die Grabplatte von Erasmus im Nordseitenschiff und die Statue von Oekolampad am Kreuzgang zeugen noch heute davon.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Franz Osswald / Kirchenbote / 22. Juli 2016

Unsere Empfehlungen

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Ostern ist der höchste Feiertag für die Christenheit. An diesem Tag feiern die Gläubigen die Auferstehung des Herrn. Doch wer in diesen Tagen die Läden betritt, stellt rasch fest: Der eigentliche Star heisst Meister Lampe. Wie kommt das Christentum zu den Eiern und den Hasen?
Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Die Ukraine kämpft um ihr Überleben. Auch die Kunst des Landes leistet ihren Beitrag dazu. Das Kunstmuseum Basel präsentiert derzeit in der Ausstellung «Born in Ukraine» eine Auswahl bedeutender Werke aus der Kyjiwer Gemäldegalerie, dem nationalen ukrainischen Kunstmuseum.
Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

170 Jahre nach der Gründung des Diakonissenhauses Riehen beleuchtet eine Ausstellung mit Fotos und Texten die Geschichte der Kommunität. Sr. Delia Klingler lebt seit 2017 als Schwester hier. Der Kirchenbote hat mit ihr die Ausstellung besucht.