News aus dem Thurgau

Todesglocke wird zur Osterglocke

von Rosemarie Hoffmann
min
28.10.2023
Von Glocken geht eine besondere Faszination aus. Sie sind Symbole christlichen Glaubens. Ihr Klang begleitet das menschliche Leben von der Wiege bis zum Grab. Der Mesmer Bruno Blaser aus Sulgen möchte diesen kulturellen Schatz in der Thurgauer Glockenlandschaft bewahren.

Glocken rufen, trösten, mahnen, wollen Gutes herbeiläuten; sie sind die Seele einer Kirche. Wer einmal die Gelegenheit hat, die tonnenschweren Riesen aus der Nähe zu sehen und zu hören, wird diesen Eindruck kaum vergessen. Mesmer Bruno Blaser hat das historische Erbe der Glocken in Sulgen kirchengeschichtlich aufgearbeitet und möchte dies interessierten Menschen zugänglich machen. Mehrfach im Jahr führt er Glockenliebhaber hoch in den Kirchturm zu den Glocken.

Auch fĂĽr die Konfirmanden ist dies ein Erlebnis, wenn sie mit dem Mesmer und dem Pfarrer in den Turm steigen. Der Weg nach oben fĂĽhrt ĂĽber eine steile Holztreppe, ist eng und schmal, nichts fĂĽr Leute mit Platzangst.

Weithin hörbare Stimmen

Dort oben hängen fünf riesige Glocken; die grösste ist die Sonntags-und Festtagsglocke, die zweitgrösste die Totenglocke, die drittgrösste die Betzeitglocke, an manchen Orten wird diese zum «Unser Vater» geläutet. Die viertgrösste ist die Abendmahlsglocke und die kleinste ist die Taufglocke. Alle gemeinsam, beginnend mit der kleinsten Glocke, rufen zu den Gottesdiensten. Das heisst, jeder Glocke eines Geläutes ist ein bestimmtes «Amt», eine bestimmte liturgische Funktion zugeordnet.

Während früher das Glockenläuten von Hand mit Hilfe eines Seils erfolgte, werden heute moderne Läuteanlagen oft für mehrere Jahre im Voraus programmiert, beziehungsweise lassen sich die Glocken bei Bedarf mit Fernbedienung in Bewegung setzen. Nach dem Glockenexperten Hans Jürg Gnehm geschieht das Läuten in den ländlichen Gemeinden auf recht differenzierte Weise, da laut Kirchenordnung Abdankungsgottesdienste lediglich mit Glockenläuten anzuzeigen sind. In der Kirchgemeinde Sulgen wird zu den Sonntagsgottesdiensten, Beerdigungen und Taufen unterschiedlich geläutet. So ist der Glockenklang auch ein Zeichen für die Gemeinde, welcher Anlass in der Kirche stattfindet.

Wie die Glocke, so der Klang

Glocken klingen strahlend hell oder auch dunkel getragen bis unheimlich. Ihr Klang schwingt zwischen Himmel und Erde. Er berührt nicht nur das Ohr, sondern auch die Seele. Er überträgt sich auf den Körper und versetzt ihn in Schwingung, berührt seine Stimmung. Erstaunlich beim Anblick eines solchen Riesen aus Metall!

Das Rätsel liegt wohl darin, dass sich Kupfer und Zinn, zwei weiche Metalle, zu harter Bronze verbinden, idealerweise im Verhältnis 78:22. Neben den Glocken aus Bronze sind manche aus Eisen oder Stahl. Wichtig für die Resonanz sind die alten Glockenstühle aus Eichenholz. Deshalb sind die alten Geläute sehr kostbar. So schön die Glocken anzuschauen sein mögen, der edelste Zweck von Glocken ist akustischer Art.

 

«GOTT HAT JESUS ...»


Inschrift der Totenglocke in Sulgen mit dem Bibelvers aus 1. Kor 6,14 (Bild: zVg)

 

Totenglocken klingen anders

«Die Glocken klingen anders, klingen viel anders als sonst, wenn einer einen Toten weiss, den er lieb hatte.» Diese Worte sprach Martin Luther, als sein Freund und Förderer, der Kurfürst von Sachsen, begraben wurde. Dass bei Beerdigungen die Glocken anders klingen als zu den normalen Sonntagsgottesdiensten, kann auch Bruno Blaser bestätigen. Der engagierte Mesmer läutet bei Beerdigungen mit der zweitgrössten Glocke, mit der Totenglocke, mit dem Ton C’.

Beim Sonntagsgottesdienst beginnen die drei kleinen Glocken mit den Tönen C’’, As’, Es’, dazu kommt die grösste Glocke in As. Alle vereint, tönen sie mit mächtiger Stimme und rufen zum Gottesdienst. Bei einer Beerdigung wird anders geläutet. Eine eigene Geschichte sei das, erzählt Bruno Blaser. Es hängt damit zusammen, dass der Friedhof nicht unmittelbar bei der Kirche ist und die Trauergäste ein Stück Weg gehen müssen. Laut Läuteordnung erfolgt eine Stunde vor der Besammlung auf dem Friedhof das Zeichenläuten mit der Totenglocke zwei. Auch auf dem Weg vom Friedhof zur Kirche läutet Glocke zwei. Wenn diese sich in Bewegung setzt, dringt der warme tiefe Klang bis ins tiefste menschliche Innere.

Gerade im Todesfall ist Glockenläuten für viele Menschen wichtig. Glockenklänge berühren das Herz. Trost finden wir nicht im Kopf oder in klugen Worten. Der Glockenklang verweist auf eine andere Dimension des Lebens. Oft hilft das Glocken-Ritual bei der Bewältigung unerträglicher Situationen. Dem Tod begegnen tut weh; doch Tod ist auch die Heimkehr zu Gott. Darauf verweisen die Glocken: Es gibt mehr als das Hier und Jetzt. Die Klänge lassen erahnen und hoffen, dass Schönes auf uns wartet. Der gewaltige C’-Glockenklang verkörpert die christliche Botschaft der Auferstehung. «Denn Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden, denn ihm leben sie alle.» (Lk 20,38) Im Namen Jesu ist dadurch dem Tode die Macht genommen.

Liebe schwingt mit

Folgende Inschrift ist auf der Glocke zu lesen: «Gott hat Jesus auferweckt von den Toten und wird auch uns aufwecken durch seine Kraft» nach 1. Kor 6,14. So wird die Totenglocke mit tiefem C zur Osterglocke mit strahlend hohem C. Im Klang der Glocken schwingt etwas von der Liebe und vom Geist der Auferstehung Jesu Christi mit.

 

AUSLEGUNG: «GOTT HAT JESUS AUFGEWECKT VON DEN TOTEN UND WIRD AUCH UNS AUFWECKEN DURCH SEINE KRAFT.» (1. KOR 6,14)

Diese Inschrift ist auf der Totenglocke in Sulgen zu lesen. Der Tod ist verbunden mit der österlichen Auferstehungsbotschaft. Welch eine Hoffnung spricht Paulus uns zu. Sie appelliert an unsere innere Haltung, sich von Jesus aus dem Tod herausrufen zu lassen. Sich verwandeln zu lassen, alle Bitterkeit und Dunkelheit im Grab zu lassen, und mit Ostern im Herzen neu aufzubrechen.

 

Unsere Empfehlungen

«Hier ist etwas anders!»

«Hier ist etwas anders!»

Junge Menschen der Generation Z werden in den kommenden Jahren das kirchliche Leben massgebend mitprägen. Wie lassen sie sich fördern?
Sie lässt sich nicht abschrecken

Sie lässt sich nicht abschrecken

Schon mit 16 Jahren mitbestimmen: Was politisch vielerorts einen schweren Stand hat, ist in den Thurgauer Kirchgemeinden seit 2002 Realität. Wie erlebt die 16-jährige Valentina Steffen aus Erlen ihre erste Versammlung?
Durchbruch schafft offene Türen

Durchbruch schafft offene Türen

Innovative Kirche: Für das «Café Chiläwiesä» hat die Evangelischen Kirchgemeinde Münchwilen-Eschlikon extra eine Wand durchbrochen. Es hat sich gelohnt.