News aus dem Thurgau

Wie sind die neuen Lieder angekommen?

von Ernst Ritzi
min
14.10.2023
Seit 25 Jahren wird in den Gottesdiensten unserer Kirchgemeinden aus dem neuen Reformierten Gesangbuch gesungen. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Am 8. November ist es 25 Jahre her, seit die beiden Thurgauer Landeskirchen ihre neuen Kirchengesangbücher eingeführt haben. Mit einer ökumenischen Feier in der Kartause Ittingen sind 1998 die beiden neuen Gesangbücher begrüsst worden. 238 Lieder sind in beiden enthalten. Das gemeinsame Liedgut der beiden Konfessionen hat sich damals deutlich vergrössert.

Kirchenrat liess alte Tradition wieder aufleben

Damit in den Kirchgemeinden wieder ein Stock von gemeinsamen Kirchenliedern entstehen konnte, hatte der Kirchenrat den Kirchgemeinden in einem Kreisschreiben empfohlen, die alte Tradition der Monatslieder wieder aufleben zu lassen. Von den sechs Liedern, die für die Monate Januar bis Juni 1999 zur «Eingewöhnung » aufgelistet waren, sind einige in den letzten 25 Jahren zum bekannten Gemeinderepertoire geworden, etwa: «Vertraut den neuen Wegen» (RG 843), «Gott ist gegenwärtig» (RG 162), «Korn, das in die Erde» (RG 456), und «Morgenlicht leuchtet/Morning has broken» (RG 533).

Kirchengesangbuch hat vielfältige Ergänzung erhalten

Während auf katholischer Seite bereits laut über ein neues Kirchengesangbuch nachgedacht wird, ist es auf evangelischer Seite noch ruhig. Der Kirchengesang und die Musik in der Kirche haben sich in den letzten 25 Jahren stark verändert. Es sind ergänzende Gesangbücher für die jüngeren Gemeindemitglieder wie das «rise up» (2002) oder das Thurgauer Eigenprodukt «Rückenwind» (2017) dazugekommen. Nicht erst seit der Coronazeit werden Lieder mit dem Beamer an die Kirchenwände projiziert und losgelöst von Gesangbüchern gesungen. Die Entwicklung der letzten Jahre führt wohl dazu, dass die Herausgabe eines neuen Reformierten Kirchengesangbuchs in Zukunft kein Selbstläufer mehr sein wird.

Die Redaktion des Kirchenboten hat einen erfahrenen Kirchenmusiker und Chorleiter und die für das Ressort Kirchenmusik und Gesang zuständige Kirchenrätin gefragt, wie sie die Wirkung des neuen Kirchengesangbuchs im Rückblick einschätzen.

 

Das meinen Daniel Walder und Gerda Schärer:

 

Singen im Gottesdienst neu belebt

Daniel Walder, Kirchenmusiker und Chorleiter im Ruhestand, Weinfelden

«Das ‹neue› Gesangbuch hatte ich mit Spannung und Freude erwartet. Jahre voraus hatten wir mit dem NSK (Neues Singen in der Kirche) die Gelegenheit, Neues zu entdecken und auszuprobieren.

Das neue Gesangbuch ist mehr als eine Sammlung von Liedern, es ist ein Rollenbuch für die Gemeinde mit Liedern, Texten und Gebeten, eingeteilt in sechs Kapitel. Neu sind auch die verschiedenen Formen, die immer wieder dazu anregen, den Gottesdienst neu zu denken, Kanons zu singen, Lesungen mit einem passenden Leitvers zu unterteilen, Gebete mit einem liturgischen Ruf zu vertiefen, Taizé-Gesänge zu meditieren und die ganze Fülle von Chorälen und geistlichen Liedern neu zu entdecken.

Plötzlich klingt Altbekanntes ganz anders, wie zum Beispiel ‹Nun danket alle Gott› mit seinem punktierten Rhythmus, oder eine Tonfolge ist anders gestaltet wie bei ‹Allein Gott in der Höhe›. Das neue Gesangbuch hat das Singen im Gottesdienst neu belebt, den Kirchenchor herausgefordert und der Gemeinde mehr Gewicht im Gottesdienst gegeben. Das neue Gesangbuch wollte nie Worshipsongs oder Lobpreislieder einbeziehen. Dieses Liedgut ist in unserer Gemeinde zeitgleich in die sonntäglichen Gottesdienste eingeflossen und hat sich auch fest etabliert. So steht uns heute ein vielfältiger Reichtum an gottesdienstlicher Musik zur Verfügung.

Mein Wunsch ist, dass wir diesen Reichtum immer wieder neu entdecken und im gemeinsamen Vorbereiten der Gottesdienste mit viel Fantasie einsetzen.»

Gibt Sicherheit und lässt Entwicklung zu

Gerda Schärer, Thurgauer Kirchenrätin für Musik und Gesang in der Kirche, Berlingen

«Das Kirchengesangbuch von 1998 hat viel bewegt. Gesang, Musik und Liturgie sind bereichert worden. Das deutlich breitere Repertoire an Liedern ist durch Gebete und biblische Texte ergänzt worden. Dadurch konnte die Gemeinde stärker in den liturgischen Ablauf einbezogen werden.

Als Herausgeberin des Gesangbuchs stellte die Liturgie- und Gesangbuchkonferenz den Abgeordneten der Landeskirchen an der letztjährigen Konferenz die Frage, ob bereits die Herausgabe eines neuen Kirchengesangbuchs an die Hand genommen werden soll. Die Abgeordneten haben entschieden, die Sache vorerst ruhen zu lassen und die Energie in den nächsten Jahren in die praktische Förderung des Singens in den Kirchen zu investieren. Es soll in allen Landesteilen vermehrt Singtage geben, an denen die digital zur Verfügung stehenden neuen Lieder und der reiche, noch nicht genutzte Fundus des Gesangbuchs verbreitet werden sollen.

Das Gesangbuch von 1998 enthält noch viele Schätze. Es ist auch in den nächsten Jahren eine gute Grundlage, gerade auch für Kirchgemeinden, die für eine digitale Wiedergabe noch nicht gerüstet sind. Die Entwicklung der kirchlichen Popularmusik bewegt sich weitgehend ohne gedruckte Gesangbücher. Im Thurgau haben das ‹rise up› und das eigene Gesangbuch ‹Rückenwind› der kirchlichen Popularmusik grossen Schub gegeben. Das Kirchengesangbuch von 1998 ist eine gute Basis. Es verleiht ein Stück ‹Heimat› und lässt eine vielfältige digitale Weiterentwicklung zu.»

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