News aus dem Thurgau

Lift und Stress bleiben draussen

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11.02.2017
Das Haus am Städeli ist eine eigene kleine Welt. Die Pflegestation bietet Menschen mit einer Demenzerkrankung Schutz vor aussen und sich selbst. Vor allem aber sollen ihre Bedürfnisse ernst genommen werden.

Von Trudi Krieg

Der Lift befindet sich im Haus am Städeli noch im öffentlichen Bereich. «Es ist wichtig, dass der Lift draussen ist», erklärt Eva Oberwiler, denn: «ein Lift würde die Bewohner zu sehr irritieren. Wenn plötzlich etwas heruntergefahren kommt und eine Türe aufgeht, können sie das nicht einordnen.» Das Haus am Städeli gehört zum Alters- und Pflegeheim Sattelbogen in Bischofszell. Es wurde extra für Menschen mit einer fortgeschrittenen dementiellen Erkrankung konzipiert. Ein Rundgang mit Eva Oberwiler, der Leiterin Pflege und Betreuung, lässt Besucher die besondere Atmosphäre spüren in dem Haus, in dem Menschen sich auch im langsamen Weggehen von der Welt aufgehoben und getragen fühlen.

Das «Personsein» erhalten

In geschütztem Rahmen werden die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus am Städeli rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr betreut. Oberstes Ziel sei der Erhalt des «Personseins» nach den Richtlinien des englischen Sozialpsychologen mit christlichem und humanistischem Hintergrund Tom Kitwood, sagt Eva Oberwiler. Der Fokus werde darauf gelegt, dass die Bewohner ihre Bedürfnisse nach Bindung, Trost, Geborgenheit, Sicherheit und Betätigung ausdrücken können und unterstützt werden, diese im Alltag auch umzusetzen.

Ein Bett im Gang

Im Innenbereich hinter der Türe, die Eva Oberwiler mit ihrem elektronischen Schlüssel öffnet, gibt es Treppen. Selbst diese überfordern manche Bewohner. Es führt eine Rampe von allen Stockwerken hinunter zum in sich geschlossenen Raum im Freien, dem Atrium. Diejenigen, die plötzlich das Bedürfnis verspüren, wegzugehen, können so jederzeit hinaus, im Freien ein bisschen herumgehen und dann wieder hineinkommen. Tagsüber ist auch der Garten mit seinen verschlungenen Wegen ein Ort, um unterwegs zu sein. Türen öffnet Eva Oberwiler behutsam: «Man weiss nie, was dahinter ist und will niemanden erschrecken.» Da ist ein Bett im Gang neben Sofa und Tisch. Jemand hat sich seinen Schlafplatz hier ausgesucht. Ein anderes Bett ist in der Stube. Eine Frau lässt sich von Musik berieseln und döst. Die Gänge und Stuben sind bewusst schlicht gehalten. Die Fenster lassen viel Licht herein.

Allein in ihrer Welt

Weisse Wände gehen in Holzpassagen über oder haben farbige Endmarkierungen. Das hilft bei der Orientierung. Eine Frau geht an der Besucherin vorüber, grüsst nicht zurück und schaut auch nicht hin. Sie ist allein in ihrer eigenen Welt. Die Pflegenden versuchen immer wieder, den Kontakt herzustellen, Bedürfnisse herauszuspüren. Will jemand etwas gestalten, mit Papier, im Garten, an der Hobelbank, oder vielleicht beten? Wahrhaftigkeit ist im Umgang mit Dementen wichtig. So wird mit der Person, für die das Gebet ein wichtiges Ritual ist, jemand beten, der auch ein religiöses Bedürfnis hat. «Menschen mit Demenz sind sehr sensibel. Sie spüren auch, wenn eine Betreuungsperson keinen guten Tag hat. Angehörige, die jederzeit zu Besuch kommen können, stossen nicht immer auf freudige Erwartung bei den Erkrankten», sagt Eva Oberwiler, der gerade auch deshalb eine positive, beruhigende Schwingung im Haus am Städeli wichtig ist.

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