News aus dem Thurgau

«Ich lasse mich nicht mundtot machen»

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02.03.2017
Jacqueline Straub will Priesterin werden. Sie kämpft für die Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche. Die junge Theologin lässt sich den Mund nicht verbieten, auch wenn das viele versuchen.

In Jacqueline Straub brennt ein inneres Feuer. Die Flammen sind spürbar, wenn sie ihre Geschichte erzählt, wie jüngst in der reformierten Kirchgemeinde Lohn SH. Es ist die Geschichte einer Frau, die auf ihrem Berufsweg in der katholischen Kirche am Umstand scheitert, «nur eine Frau zu sein». Im Klartext: Frauen dürfen kein Priesteramt ausüben. Aber genau das will Jacqueline Straub. «Ich möchte nicht Karriere machen, sondern Gott und den Menschen dienen», sagt sie und erzählt von ihrer Berufung zur Priesterin. «Da ist ein Brennen in mir, eine Flamme, die bis heute nicht erloschen ist. Ich will genau das machen, was der Priester macht: Predigen, Bibel lesen, Eucharistie feiern und die Sakramente spenden».

Als Ketzerin beschimpft

Ihre Berufung habe sich bereits in der Jugend gezeigt. Und sei mit jedem Jahr gewachsen. Wäre Jacqueline Straub ein Mann, hätte sie keine Probleme, ihre Berufung von einem Bischof offiziell bestätigen zu lassen. Das ist notwendig, wenn jemand Priester werden will. In ihrem Fall aber geschieht das nur hinter verschlossenen Türen. Der Bischof von Basel wisse, dass sie Priesterin werden will, so Jacqueline Straub. In Interviews habe er gesagt, dass er sich Frauen am Altar vorstellen könne.

Durch ihren Kampf um die Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche riskiert Jacqueline Straub Kopf und Kragen. Manche beschimpfen sie als Ketzerin, nicht selten bekommt sie bösartige Zuschriften. Straub arbeitet als Religionslehrerin in einer Luzerner Pfarrei. Eine Stelle, die sie in Deutschland nicht bekommen hätte. «In der Schweiz ist man für mein Anliegen wesentlich offener».

Kritik hagelt es aber nicht nur von traditionellen Katholiken. «Ich bekomme auch Kritik von den Liberalen, weil ich an der Kirche festhalte». Und das tut Jacqueline Straub mit Inbrunst. «Ich liebe die katholische Kirche und halte sie für wert, dass ich mich dafür einsetze». Konvertieren komme für Jacqueline Straub nicht in Frage. «Für mich wäre es feige, wenn ich das tun würde. Ich glaube, dass die Kirche es wert ist, sich für sie einzusetzen.»

Sündiges Geschöpf

Der grosse Bremsklotz sei die Kurie, sagt Straub. «Papst Franziskus will wissen, was in den Bistümern geschieht». Doch die Kurie bremse bei sehr vielem. Und halte an einem alten Frauenbild fest, dass den Frauen zwar den gleichen Wert zubilligt wie den Männern, aber nicht die gleichen Rechte und Möglichkeiten. «Es existiert die Haltung, dass Frauen gefährliche Wesen seien», sagt die junge Theologin. Dieses Frauenbild habe Thomas von Aquin geprägt. «Der Kirchenvater stufte die Frau als verunglückten Mann ein». Ihre einzige Existenzberechtigung: Kinder gebären. «Auch mir wurde schon gesagt: Bekomme Kinder, dann bist du mit einem Bein im Himmel», sagt die junge Frau. Auch Augustinus habe die Frau als sündiges, unreines Geschöpf betrachtet, deren Körper lediglich die Sexualität widerspiegle. «Augustinus folgerte daraus, dass nur der männliche Körper Christus repräsentieren könne. Deshalb dürfen Frauen nicht Priesterinnen werden».

Jacqueline Straub habe einen Professor für Theologie scherzeshalber gefragt, was wäre, wenn sie sich umoperieren liesse. «Dann wäre ihre Seele noch immer weiblich, so dass sie nicht Priester werden können», lautete die Antwort. «Jeder Funken Frau in mir hindert mich daran, das Priesteramt auszuüben», lacht Jacqueline Straub.

Frauen waren auch Apostel

Dabei hätten Frauen in den christlichen Urgemeinden wichtige Stellungen eingenommen. Als Diakoninnen, Apostelinnen, Prophetinnen und Priesterinnen. Als erkannt wurde, dass die Wiederkunft Jesu nicht so bald geschehen werde, passten sich die Gemeinden dem römischen Reich an, die Frau hatte zu schweigen. «Das bedeutete den Abschied vom Gleichheitsideal, das Jesus vorgelebt und Paulus in seinen Gemeinden umgesetzt hatte», sagte Jacqueline Straub. Dieses Ideal sei biblisch verankert. «Die Taufe steht für die Gleichheit aller Menschen vor Gott. Es geht um die Menschwerdung Gottes und nicht um die Mannwerdung.»

Briefe an den Papst

Jacqueline Straub geht mit ihrem Anliegen konsequent an die Öffentlichkeit. Sie hält Vorträge, spricht an Podien und veröffentlicht Bücher. Ihr erstes Buch «Jung, katholisch, weiblich – weshalb ich Priesterin werden will» wurde gerade ins Englische übersetzt. Sie schliesst sich mit Gleichgesinnten aus aller Welt zusammen, gelangt an die Kurie in Rom und schreibt Briefe an den Papst - bis heute ohne Resonanz. Ihr Masterplan lautet, nicht aufzugeben. «Ich werde aufstehen und meine Stimme erheben, bis Frauen Priesterinnen werden können», sagt sie. «Ich lasse mich nicht mundtot machen, auch wenn das einige versuchen.»

Jeder, so Jacqueline Straub, sei wie ein Werkzeug. Sie selbst sieht sich «als einen kleinen Hammer an, der immer wieder an den Wänden des Vatikans klopft. Ich lege alles in Gottes Hände, er schickt mich dahin, wo ich sein soll.»

Falls Jacqueline Straub ihr Ziel nicht erreichen sollte, sei der Weg das Ziel gewesen. «Auch wenn ich es nicht schaffe, kann ich sagen, ich habe einen Stein auf diesen langen Weg gelegt wie viele Frauen vor mir».

Adriana Schneider, kirchenbote-online.ch

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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