News aus dem Thurgau

«Situation ist noch nicht dramatisch»

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15.05.2017
Die ehrenamtliche Tätigkeit als Kirchenpfleger hat in den letzten Jahren vielerorts an Prestige verloren. Nicht so im Kanton Bern: Hier gibt es kaum Probleme bei der der Besetzung des Amtes.

Die Klage ist nicht neu: Geeignete Mitarbeiter für die Kirchenpflege zu finden ist schwierig geworden. Manche Kirchgemeinden beschreiten deshalb ungewohnte Wege. Im Zürcher Männedorf etwa leistete man sich einen teuren Werbespot fürs Kino, um Freiwillige für das Engagement in der Kirche zu begeistern. Es sei zunehmend schwierig, passende Leute zu finden, begründete Kirchenpflegepräsidentin Madeleine Strub-Jaccoud die aussergewöhnliche Massnahme gegenüber ref.ch.

Doch wie gravierend ist das Problem wirklich? Martin Röhl vom Rechtsdienst der Zürcher Landeskirche bestätigt, dass es in den letzten Jahren schwieriger geworden sei, Kirchenpfleger zu finden. Trotzdem hält er die Situation nicht für dramatisch: «Eng bei der Besetzung der Kirchenpflege wird es vielleicht in drei bis vier Kirchgemeinden pro Gesamterneuerungswahl. Aber auch dort findet sich dann meist eine Lösung». Für Röhl ist aber klar, dass heute mehr Aufwand betrieben werden muss, um geeignete Personen zu finden. «Die Anforderungen an das Amt des Kirchenpflegers sind gestiegen. Es werden heute Kompetenzen verlangt, die früher nicht in diesem Ausmass nötig waren, etwa Kenntnisse im Rechnungswesen oder Führungserfahrung.»

Schwindende Wertschätzung
Auch Frank Worbs von der Aargauer Landeskirche kennt das Problem. Für ihn spielt noch ein anderer Punkt eine Rolle: «Der öffentliche Respekt und die Wertschätzung für Personen, die öffentliche Ämter übernehmen, sind deutlich gesunken. Nicht nur in der Kirche». Die Aargauer Landeskirche hat deshalb ihr Betreuungsangebot für Kirchenpfleger ausgebaut: Bessere Amtseinführungen, eine gesteigerte Wertschätzung von Seiten der Landeskirche und die Unterstützung durch eine sogenannte «Gemeindeberatung» sollen den Kirchenpflegern das Leben erleichtern. Daneben werden die Kirchgemeinden bei der Suche nach neuen Kirchenpflegern besser unterstützt.

«In Bern ist ein Kirchgemeinderat jemand»
Dagegen nimmt sich die Situation im Kanton Bern verhältnismässig komfortabel aus. Neue Mitglieder für den Kirchgemeinderat werden hier in der Regel schneller gefunden. Martin Koelbling, Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten des Kantons Bern, erklärt sich das mit dem öffentlichen Ansehen des Amtes: «Als Kirchgemeinderat geniesst man im Kanton Bern eine gewisse Reputation in der Öffentlichkeit, da gibt es keine Unterschiede zu einem Amt in der politischen Gemeinde». Dies hänge damit zusammen, dass die Bernische Kantonsverfassung die Kirchgemeinden auf dieselbe Stufe wie die Einwohnergemeinden stellt. «Viele Kirch- und Einwohnergemeinden arbeiten eng zusammen. Dadurch ist das Amt des Kirchgemeinderates oder der Kirchgemeinderätin in der Öffentlichkeit nach wie vor präsent», so Koelbling.

Kaum Vakanzen in Bern
Nur ungefähr alle zwei Jahre tritt denn auch der Fall ein, dass ein Berner Kirchgemeinderat aufgrund fehlender Mitglieder seine Beschlussfähigkeit verliert. «Doch selbst dann kann der Rat in der Regel innerhalb weniger Monate wieder vervollständigt werden», sagt Koelbling. Im Kanton Bern ist ein Kirchgemeinderat beschlussfähig, solange mindesten die Hälfte des Rats plus ein Mitglied dauerhaft im Amt sind. Ist dies nicht gegeben, setzt der Regierungsstatthalter einen Sachwalter ein.

In der Aargauer Landeskirche sind solche Sachwalterschaften oder «Kuratorien» nicht nur häufiger als in Bern, sondern dauern mit im Durchschnitt 30 Monaten auch länger an. «In der Regel bestehen in ein bis zwei Kirchgemeinden «Kuratorien», vorübergehend auch mal in drei bis vier», sagt Frank Worbs. In der Zürcher Landeskirche muss gemäss Martin Röhl über die Jahre betrachtet ein- bis zweimal jährlich ein Sachwalter eingeschaltet werden, dies bei einem Bestand von über 170 Kirchgemeinden. «Das sind dann aber oft Fälle, in denen die Sachwalterschaft länger andauert.»

Ein gesellschaftliches Problem
Für die Kirchenpflegepräsidentin von Männedorf, Madeleine Strub-Jaccoud, zeigt sich im nachlassenden Engagement in der Kirchenpflege ein gesellschaftliches Phänomen: «Es hat sehr viel damit zu tun, dass die Menschen heute weniger in ihrer Gemeinde verwurzelt sind. Das wirkt sich nicht nur auf das Engagement in der Kirche, sondern auch in politischen Ämtern und Vereinen aus.» Die Ursachenforschung nur auf die Kirche zu beschränken, hält sie deshalb für kurzsichtig. «Das Gerede vom Bedeutungsverlust der Kirche ist da wenig hilfreich».

Klar ist: Landeskirchen und Kirchgemeinden werden in Zukunft mehr tun müssen, um das freiwillige Engagement in der Kirche wieder schmackhafter zu machen. Dass dabei auch gute Ideen nicht zwangsläufig ans Ziel führen, zeigte die Aktion in Männedorf. Obwohl der aufwendige Werbespot im Kino gut ankam, wurden bislang noch keine geeigneten Personen gefunden.

Heimito Nollé / ref.ch / 15. Mai 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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