News aus dem Thurgau

«Wofür steigen wir auf Bäume?»

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07.06.2017
Die Pfyner Pfarrerin Elisabeth Jahrstorfer hat Ende Mai den Kirchentag in Berlin und Wittenberg besucht. Zurückgekehrt ist sie mit vielen Eindrücken. Hier schreibt sie, welche sie noch länger beschäftigen werden.

Nun ist er also vorbei, dieser Kirchentag. 500 Jahre Reformationsgedenken, schon ein besonderer Anlass, sich – auch ökumenisch – Gedanken zu machen. Das Motto, unter dem diese Tage in Berlin standen, hiess: «Du siehst mich.» Du, Gott.

Es waren Tage, in denen wohl die meisten reich beschenkt wieder nach Hause gefahren sind. Neben mancher Grossveranstaltung, zum Beispiel mit Obama und Merkel, gab es auch viele kleinere Begegnungen am Weg, beim Warten.

Da waren die beiden Ordensfrauen aus Münster, die mir erzählten, wie sie «die Wende» erlebt haben, damals in Berlin. Eine andere Frau gesellte sich zu uns. Heute Diakonin, damals Krankenschwester in Ostberlin. In der Nacht, als die Mauer fiel, ging sie trotzdem zum Dienst. Sie löste den Nachtdienst ab, als einzige ihrer Station. Ihre Kolleginnen hatten schon befürchtet, es würde gar niemand mehr zur Arbeit erscheinen. Am nächsten Tag ein Gespräch mit einer Mitreisenden, das vom Mittagessen bis zum Abendessen ging: Begegnung pur. Überwältigend viele junge Erwachsene waren gekommen, haben die Atmosphäre entscheidend mitgeprägt.

Dann die Bibelarbeit von Eckart von Hirschhausen über Zachäus. Seine Frage geht mir nach: «Wofür steigen wir auf Bäume, um dabei zu sein? Wofür steigen wir auf Bäume, gehen auf die Barrikaden?» Zachäus überwindet seine Scham, um Jesus zu sehen. Wie wichtig ist es mir, Jesus zu sehen? «Wo ist der Zachäus in Euch?», fragt Hirschhausen. Doch damit ist auch die Gewissheit verbunden: «Gott sieht mich.»

Ein anderer Vortrag – ein anderes Thema: Ob unsere Kirchen Orte sind, wo Menschen wirklich über das sprechen können, was sie zuinnerst angeht? Nein? Auch hier: zu gross die Scham? Und doch ist es das, was wir vermitteln wollen: «Du bist von Gott angesehen – Gott sieht Dich.»

Ein dritter Gedanke, der hängen geblieben ist: Den Geist vor allem dort spüren, wo mir das Andere entgegenkommt; wo mir Menschen entgegen kommen, die anders sind. Hagar fällt mir ein, die Frau auf der Flucht – damals, zu biblischen Zeiten; viele Frauen fallen mir ein, Frauen auf der Flucht – heute, in unserer Zeit. Und Männer, und Kinder.

Vielfältig sein, bunt, anders: In Berlin bin ich für ein paar Tage in diese Vielfalt eingetaucht, war ein Teil von ihr, durfte erlebe, wie bunt Kirche ist, wie anders.

Und dann singen wir miteinander ein Lied: «Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.»«Gott sieht uns.»

Mit diesem Gedanken bin ich wieder zurück gereist in den Thurgau. Bereichert um viele Eindrücke, Erlebnisse, Begegnungen. Wir hier im Thurgau – Teil der einen weltweiten Kirche – «Gott sieht uns» und: «Der Geist weht, wo er will».

 

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