News aus dem Thurgau

«Das wirkt wie eine Vitaminspritze»

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28.12.2017
Sie fordern Frauen zum Tanz auf. Und sind zur Stelle, wenn auf der Tanzfläche Männermangel herrscht. Die «Taxi-Dancer» sind Tanzpartner zum Mieten. Und garantieren Tanzspass für jede Frau, auch in den Kirchgemeinden.

Leichtfüssig über die Tanzfläche schweben. Das würde manche Frau liebend gerne tun. Doch fehlt der Tanzpartner, wird nichts daraus. Nicht so an einem Tanzanlass in der Zwinglikirche Schaffhausen. Da forderten schwarz gekleidete Herren mit roten Hosenträgern Frauen zum Tanz auf. Die roten Hosenträger sind das Markenzeichen der «Taxi-Dancer». «Wir sind auch für die Kirche im Einsatz», sagt Roberto Zanolli, der die Gruppe vor 29 Jahren gegründet hat. 

Auf die Geschäftsidee «Taxi-Dancer» ist Zanolli gekommen, weil Frauen gerne tanzen. Und Männer nicht. «80 Prozent der Frauen tanzen leidenschaftlich, 80 Prozent der Männer bleiben lieber sitzen», schätzt Zanolli. Der Fünfzigjährige holte 1990 den ersten Schweizer-Meister-Titel im Disco-Swing. Während seiner Zeit als Turniertänzer erhielt er oft Anfragen, ob er als Tänzer an einen Anlass kommen könne. Deshalb gründete er im Jahr 1989 mit zwei Freunden die Firma «Taxi-Dancer». 

Fürs Tanzen bezahlt
Abgeleitet ist der Begriff «Taxi-Dancer» vom englischen «Tax-Dancer» aus den 50er-Jahren. Damals zahlten tanzfreudige Damen in England beim Einlass eine Gebühr und konnten sich im Dancing einen Tänzer aussuchen. «Bei uns läuft das umgekehrt», sagt Zanolli, «wir sind es, die die Frauen auffordern». Auf Wunsch wird eine Dame mit dem Auto abgeholt und zum Tanzanlass chauffiert. Daher der Begriff «Taxi».

Im Einsatz ist die Truppe überall dort, wo auf Tanzflächen Männermangel herrscht. Sei es in Tanzlokalen, an Privat- und Firmenanlässen, auf Kreuzfahrten, an Tanznachmittagen in Alters- und Pflegeheimen und in Kirchgemeinden. Schon zweimal waren die «Taxi-Dancer» an Seniorennachmittagen vom Stadtverband der reformierten Kirchgemeinden in Schaffhausen im Einsatz. Rund hundert tanzfreudige Seniorinnen liessen sich zum Tanz auffordern.

Lebensfreude auslösen
Das Tanzen mit betagten Menschen ist laut Zanolli eine besonders schöne Erfahrung. «Sie fühlen sich beim Tanzen in ihre Jugend zurückversetzt. Das wirkt wie eine Vitaminspritze, die neue Kraft gibt.» Das funktioniere auch dann, wenn sich jemand kaum mehr bewegen kann. Oder sogar im Rollstuhl sitze. «Musik und Bewegung lösen Lebensfreude aus», so Zanolli.

Dies bestätigt auch Ruth Gehring vom städtischen Diakoniekapitel Schaffhausen, das die Tanznachmittage organisiert hat. «Die Tanzfläche war in kürzester Zeit gefüllt. Die «Taxi-Dancer» haben auch jene zum Tanzen gebracht, die sich das anfangs nicht zugetraut hatten.»

Küssen verboten
Die Tanzpartner auf Abruf wollen Frauen Freude bereiten. Auf der Tanzfläche. Mehr nicht. «Wir sind nicht zum Mit-nach-Hause-Nehmen», betont Zanolli und stellt klar: «Wir sind Tänzer. Keine Gigolos.» Wer «Taxi-Dancer» sein will, muss sich an Regeln halten. «Man muss alle gängigen Tänze beherrschen, Tanzspass vermitteln und trotzdem Distanz halten», sagt der Firmenchef. Das bedeutet, alle Frauen werden gleich behandelt. «Wenn ein Tänzer einer Frau näherkommt, würde das sofort auffallen und sich herumsprechen, Frauen sind da sehr sensibel». Begrüssungsküsse sind aus diesem Grund strikte verboten. Ebenso anbaggern.

Rund 80 Tänzer aus der ganzen Deutschschweiz sind für Zanolli im Einsatz. Sie verdienen sich mit ihrem Hobby ein kleines Nebeneinkommen. Dazu kommen acht «Taxi-Girls». Weil auch Männer sich gerne auffordern lassen. Und sich so eher auf die Tanzfläche wagen. «Die ‹Taxi-Girls› erklären ihnen die Schritte und nehmen ihnen so die Angst vor dem Tanzen», sagt der ehemalige Turniertänzer. Es sei nie zu spät, mit Tanzen zu beginnen.

Laut Zanolli ist Tanzen nicht nur der beste Sport für die Gesundheit. «Tanzen hält fit, man kann kreativ sein und kommt unter die Leute», sagt er. Der Chef der «Taxi-Dancer» hat in den letzten 27 Jahren mit mehr als 100 000 Frauen getanzt. Er hat einen Sohn im Teenageralter. «Vielleicht übernimmt er den Betrieb einmal», sagt er, «dann gehe ich aufs Kreuzfahrtschiff und reise tanzend um die Welt.»

Adriana Schneider, kirchenbote-online, 28. Dezember 2017

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