News aus dem Thurgau

«Nächstenliebe hört nicht beim Geld auf»

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28.05.2018
Geld ist aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken und hinterlässt in fast allen Lebensbereichen seine Spuren. Der Kirchenbote hat Thurgauer Verantwortungsträger gefragt, wie sie zum Geld stehen.

Was bedeutet Ihnen Geld?

Jakob Stark, Thurgauer Regierungsrat für Finanzen und Soziales: Geld ist mir insofern wichtig, als es mir und meiner Familie die materielle Basis und Sicherheit bietet und Möglichkeiten eröffnet, Sachen, Projekte und Organisationen zu erwerben beziehungsweise zu unterstützen, die uns wichtig sind.

Ruth Pfister, Thurgauer Kirchenrätin, Mitglied des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds: Ohne Geld kann man heute in der Schweiz nicht leben, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Geld sollte aber immer nur ein Mittel zum Leben sein und keinesfalls einen hohen oder gar einzigartigen Stellenwert einnehmen. Geld soll unserem Leben dienen, aber niemals soll unser Leben dem Geld dienen.

Astrid Ziegler, stv. Vorsitzende der Bankleitung der Raiffeisenbank Mittelthurgau und CVP-Grossrätin: Ich versuche, dem Geld nicht allzu viel Bedeutung zuzumessen und es verantwortungsvoll und nachhaltig zu benutzen. Ich möchte, dass meine Verwendung von Geld niemandem schadet und daraus positive Früchte entstehen können. Das ist alles nicht so einfach, es gibt auch Zweifel.

Fredy Schweizer, Bankfachmann bei der Thurgauer Kantonalbank, Pfleger in der Evangelischen Kirchgemeinde Sulgen: Geld allein macht definitiv nicht glücklich. Als Bankfachmann wie auch als Pfleger in der Kirchgemeinde bedeutet Geld meist nur Zahlungsmittel und dies als Buchgeld. Bei der Bank bin ich fernab von Bargeld, so dass es ganz schön ist, die Kollekte nach dem Gottesdienst noch als Bargeld entgegennehmen zu können.


Wie beurteilen Sie das Spannungsfeld zwischen Geld und Glaube?

Stark: Die Antwort könnte Seiten oder Bücher füllen. Kurz gesagt: Die Nächstenliebe hört nicht beim Geld auf. Was das genau heisst, muss jede und jeder für sich entscheiden.

Pfister: Dieses Spannungsfeld ist tatsächlich sehr real. Aber auch wenn sich heute sehr vieles ums Geld dreht, ist die Bibel ganz klar: die höchste Ehre und die grösste Liebe gebührt unserem Herrn. Alles andere, auch das Geld, ist dem untergeordnet: «Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!» (Mt 6,24)

Ziegler: Geld ist ein neutrales Tauschmittel. Die Bedeutung erhält es erst mit dem, was der Mensch mit ihm macht. Es gibt Menschen denen es wenig bedeutet. Andererseits gibt es Menschen, für die es alles bedeutet – wie eine Religion. Gier kommt in allen Gesellschaftsschichten und auch in christlichen Kreisen vor.

Schweizer: Ich finde es schade, dass für viele Leute die Landeskirchen oft nur noch Dienstleistungsanbieter sind, die sie aktuell nicht benötigen. Und so kommt es oftmals zu einem Kirchenaustritt im Zusammenhang mit der nicht ausgesprochenen Argumentation, dass man damit Steuern sparen kann.


Welchen Einfluss haben christliche Werte auf Wirtschaft und Politik?

Stark: Der Einfluss ist meines Erachtens grösser, als man denkt. Doch er nimmt ab, weil es die flächendeckende und nachhaltige Vermittlung der christlichen Werte bei Kindern und Jugendlichen leider nicht mehr gibt.

Pfister: Unsere Geschichte und unsere Kultur basieren auf christlichen Grundwerten. Ich bin überzeugt, dass dies ein wesentlicher Grund ist, dass es unserem demokratischen Land gut geht und hoffe, dass diese Grundwerte unser Handeln in Politik und Wirtschaft auch in Zukunft leiten werden und uns somit verlässlich machen.

Ziegler: Christliche Werte hatten schon immer Einfluss auf Wirtschaft und Politik. Heute werden sie oft bekämpft und ich finde, man soll für sie einstehen. Wird ein Unternehmen nach christlichen Grundsätzen geführt, ist neben dem Profit auch das Wohl der Mitarbeitenden im Vordergrund. Das ist nachhaltig.

Schweizer: Der menschliche Umgang und die anständige Kommunikation, die ich im Beruf täglich erlebe, sind aus meiner Sicht auf die fest verankerten christlichen Werte in unserer Gesellschaft zurückzuführen.


(24. Mai 2018, Interviews: Cyrill Rüegger)

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