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Alle für Einsiedeln

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07.10.2019
Die protestantische Solidarität funktioniert, wie die Kirche Einsiedeln zeigt. Als Diaspora, mitten im katholischenUmfeld erhält die Gemeinde viel Unterstützung. In diesem Jahr durch die Reformationskollekte.

Es war mitten im Zweiten Weltkrieg. Im kleinen Dörfchen Einsiedeln gab es einen Aufreger, der mehr bewegte als alles andere. Die protestantische Minderheit behauptete sich zwar tapfer inmitten der katholischen Hochburg, 128 Erwachsene und 23 Kinder wurden gezählt. Doch ein sichtbares Zeichen dieser Tapferkeit, eine Kirche, gab es nicht. Für den Bau einer solchen waren weder Geld vorhanden, noch Beton. Letzterer wurde seit Kriegsbeginn für militärische Zwecke verwendet.

Irgendwann hatte sich die Finanzmisere der Diaspora bis ins ferne Zürich herumgesprochen. Ein unhaltbarer Zustand, wie man auch dort befand. Und so fällte man in der Limmatstadt den Entschluss, die wehrhaften Einsiedler zu unterstützen und eine Kirche zu finanzieren. 

1943 wurde sie eingeweiht. Ein stattlicher Bau aus Stein, grosszügig dimensioniert, denn man rechnete mit einer wachsenden Zahl an Protestanten – nur hatte das Gebäude kein Fundament, Beton gab es noch immer nicht. Eine Kirche ohne Grundfeste, das sollte sich schon bald als Hypothek herausstellen. Immer häufiger bemerkte man im Mauerwerk Risse, die grösser wurden, wenn in der Umgebung gebaut wurde. Zudem zeigte sich, dass der Holzboden, der direkt über dem Erdreich gebaut worden war, zu faulen begann.

Die Kirche steht unter Denkmalschutz
Die Lage sei bedrohlich, stellten schluss
endlich Spezialisten vor vier Jahren fest. Es brauche eine Gesamtsanierung. Kostenpunkt: 2,2 Millionen. Ein Abbruch? Keine Alternative. «Die Kirche steht unter Denkmalschutz und ist uns ans Herz gewachsen. Ein zeitgemässer Neubau wäre zudem wesentlich teurer gekommen», sagt Kirchenpflegepräsident Stefan Meyer. Er weiss, wovon er spricht. Seit vielen Jahren spielt der eidgenössisch diplomierte Immobilienbewirtschafter in der Kirche Orgel. Seit vier Jahren leitet er zudem das Projekt «Kirchensanierung». Das sei alles zusammen mittlerweile ein 30-Prozent-Job – um den er sich nicht gerissen habe. Er möchte mit seinem Engagement der Gesellschaft aber etwas zurückgeben.

In Einsiedeln indes fragte man sich rund 70 Jahre später erneut: Wie kann die aufwendige Sanierung bezahlt werden? Geld hatte man lediglich für einen Drittel der Sanierung. Und ein weiteres Problem. «Wir trauten uns nicht, die Reformationskollekte anzufragen», sagt Stefan Meyer. Diese war bereits vor zehn Jahren eingesprungen und hatte sich an den Kosten für das dringend benötigte Kirchgemeindehaus beteiligt.

Ein glücklicher Zufall kam zu Hilfe
Die Reformationskollekte ist die älteste und einzige in allen evangelischen Kirchen in der Schweiz gleichzeitig erhobene Kollekte. Als solche ist sie das Zeichen protestantischer Solidarität in der Schweiz und wird seit 1897 am Reformationssonntag durchgeführt. 

Einmal mehr kam ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Man hörte in Zürich von den Finanzproblemen in Einsiedeln und sprach beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund vor. Mit Erfolg. Die Reformationskollekte 2019 geht an die Diaspora in Einsiedeln.

Solidarität kommt auch aus dem Kanton Schwyz. Die vermögenden Bezirke Höfe, March und Küssnacht gewähren der Kirchgemeinde Einsiedeln ein zinsfreies Darlehen, das in acht bis zehn Jahren zurückgezahlt werden soll. «Diese Solidarität überwältigt uns», sagt Stefan Meyer. Am liebsten würde er die gesamte Schweiz zur Wiedereröffnung der Kirche nächsten April einladen. Und wer weiss, vielleicht macht er das sogar.

Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online, 7. Oktober 2019

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