News aus dem Thurgau

Wirtschaftliche Verantwortung als Glaubensfrage?

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29.10.2020
Meinungsbildung zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) war das Ziel der Veranstaltung, welche im September im HofAcker-Zentrum Schaffhausen stattgefunden hat.

Getragen wurde die Meinungsbildungsveranstaltung durch die drei Landeskirchen. Auf dem Podium vertrat Silvio Krauss, der Geschäftsführer von Oikocredit, die Pro-Seite, vor allem mit ethisch fundierten Argumenten: Es geht um das verbindliche Einhalten der Menschenrechte und des Umweltschutzes von Schweizer Unternehmen im Ausland. Auf freiwilliger Basis funktioniere das kaum, vor allem in einem korrupten Umfeld. Schweizer Konzerne hätten die Möglichkeit, sich anständiger und besser zu verhalten als andere und könnten so auch Vorbildfunktionen übernehmen.

Andreas Bohrer, Professor für Handels- und Kapitalmarktrecht, sieht in der Initiative eine Benachteiligung der Schweizer Unternehmen. Er findet, dass die Verantwortung für das eigene Handeln einer Firma ausreichend sei. Zulieferer oder fremde Rechtsstaaten sollten nicht durch das Schweizer Recht infrage gestellt werden. Die Initiative bezeichnet er als «extrem und kontraproduktiv». Der Gegenvorschlag sei ausreichend und ein «runder Tisch» könne in einer Problemsituation besser und schneller reagieren als die Anklage eines Schweizer Unternehmens.

Unterstützung der Kirchen
Durch die strukturierte Moderation von Ladina Spiess kreuzten die beiden Kontrahenten ihre Klingen in geordneten Bahnen und mit Respekt. Die Übersetzung in Gebärdensprache trug ebenfalls dazu bei, dass sich die Redner diszipliniert verhalten haben.

Beide Referenten waren erstaunt über die grosse Unterstützung der KVI durch die Kirchen – der eine erfreut über die «mutige Kirche», der andere eher verärgert, weil er findet, dass sich die Kirche als öffentlich-rechtliche Organisation neutral zu verhalten habe.

Gegen Ungerechtigkeit einstehen
Auch die Kirchenleitung der Reformierten Kantonalkirche Schaffhausen wurde herausgefordert, zur KVI Stellung zu beziehen. Im letzten Jahr hat das Kirchenparlament eine Kommission eingesetzt, die den Kirchenrat in gesellschaftspolitischen Fragen beraten soll. Diese hat zusammen mit Gästen aus den anderen beiden Landeskirchen das Podium organisiert, damit die Positionen aus christlicher Sicht dargestellt werden konnten. Dies ist nicht ganz gelungen, da der theologische Vertreter auf dem Podium kurzfristig ausgefallen ist.

An seiner Stelle gab der reformierte Kirchenratspräsident Wolfram Kötter ein kurzes Statement ab: Zur Gemeinschaft der Glaubenden gehörte schon immer dazu, dass sie den Finger auf Ungerechtigkeiten legt und sich für das Recht der Unterdrückten einsetzt. Die Kirche hat den Auftrag, sich als Gewissen einer Gesellschaft zu äussern, wenn die Einhaltung der Rechte gefährdet ist oder auch gegen Umweltstandards verstossen wird. Es ist dies das sogenannte prophetische Amt der Kirche, das sie in der biblischen Tradition stehend wahrzunehmen habe. Die Frage, ob Christen zwingend hinter der KVI stehen müssen, um glaubwürdig zu sein, wurde zugunsten der Eigenverantwortung offen gelassen.

Unbestritten ist aber, dass das Christsein denen nicht abgesprochen werden kann, die sich gegen die KVI stellen. Pro- und Kontra-Vertreter brachten einleuchtende Argumente für ihre Seite, sodass sich das Publikum positiv zum interessanten Abend äusserte. Nun liegt es an jeder und jedem Einzelnen, sich selber für oder gegen die Initiative zu entscheiden.

Koetter/Naef

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