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«Die vergessene Tochter»

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21.06.2022
Die Autorinnen des Buches «Die Äbtissin, der Söldnerführer und ihre Töchter» lüften das Geheimnis um die uneheliche Tochter von Katharina von Zimmern in Schaffhausen.

Spätestens seit dem Erfolg des «Zwingli»-Films dürfte die Zürcher Äbtissin Katharina von Zimmern wohl auch denjenigen ein Begriff sein, die historisch nicht sehr bewandert sind.

Die Zürcher Äbtissin, die im Dezember 1524 mit 46 Jahren das Fraumünsterstift der Reformation übergab, um den Söldnerführer Eberhard von Reischach zu heiraten und mit ihm eine Familie zu gründen, bietet Stoff für einen romantischen Liebesroman. Dass das Buch «Die Äbtissin, der Söldnerführer und ihre Töchter», das 2019 im Theologischen Verlag Zürich erschienen ist, dennoch ein Sachbuch geworden ist, gründet in der Zusammenarbeit von vier Frauen: Irene Gysel, Jeanne Pestalozzi, Marlis Stähli und der Historikerin Christine Christ-von Wedel, die den Text geschrieben hat. «Unsere Recherche hat so viel historisches Material ergeben, auch zu den damaligen politischen und gesellschaftlichen Perspektiven, dass es trotz allem schade gewesen wäre, einen Roman zu verfassen», erklärt Irene Gysel.

Eine grosse Liebe
Auf Einladung der kirchlichen Frauenkommission lesen die vier im August in der Ochsenschüür in Schaffhausen aus dem Buch und erzählen von einer Spurensuche, die nach Schaffhausen führt. «Eberhard von Reischach erwartete in Zürich der Tod, weil er Söldner über die Grenze geführt hatte. Um diesem Schicksal zu entgehen, lebte er mit seiner Frau fast zwei Jahre in Schaffhausen beim heutigen Thiergarten, wo eine Tochter des Ehepaares zur Welt kam. Später zog die Familie nach Diessenhofen», erzählt Irene Gysel.

Sie beschreibt Katharina von Zimmern als starke, sichere Persönlichkeit: «Sie wurde bereits mit 18 Jahren Äbtissin, das Amt ist vergleichbar mit der heutigen Managerin eines Grosskonzerns.» Mit grosser Klarheit habe sie schliesslich die Abtei der Stadt übergegeben. «Mit diesem Schritt trieb sie die Reformation in Zürich entscheidend voran. Katharina von Zimmern wusste, was sie wollte, und setzte dies ruhig und bestimmt durch.» Ihr Geliebter und späterer Ehemann, ein Haudegen, Witwer und Vater von vier Kindern, wird in den Schriften als lebendig, kreativ und spontan beschrieben. Von Reischach starb, von Zürich unterdessen wieder begnadigt, 1531 in der Schlacht bei Kappel, Katharina von Zimmern kehrte in die Limmatstadt zurück. «Die beiden Persönlichkeiten lassen eine grosse Liebesgeschichte vermuten, was uns alle fasziniert hat», so Irene Gysel.

Uneheliche Tochter
Zu viert recherchierten die Frauen in über zwanzig Archiven in Deutschland, Solothurn, St. Gallen und Schaffhausen. «Durch unsere Handschriftenspezialistin Marlis Stähli, die den Anhang des Buches verfasste, konnten wir alle Dokumente bis ins Detail lesen, das war unglaublich spannend.»

Sie stiessen dabei auf eine junge Frau, deren Identität zunächst im Dunkeln lag. Ihren Zusammenhang mit Katharina von Zimmern belegt ein Brief von Huldrych Zwingli an Vadian, dass er einen Ehemann für eine junge Frau suche, «welche die Äbtissin zärtlich liebe». Es sei ihr überaus wichtig, wen dieses Mädchen heirate, sie habe ihm ein sehr hohes Heiratsgeld mitgegeben. «Wir haben festgestellt, dass bisher niemand nachgefragt hatte, wer dieses Mädchen sein könnte, das der Äbtissin so wichtig war», berichtet Gysel.

Offenbar hatte Katharina von Zimmern während ihrer Zeit im Kloster eine uneheliche Tochter zur Welt gebracht, die neben der ehelichen Tochter Anna von Mandach als Salome Appenzeller in den historischen Dokumenten auftaucht. «Durch die anders lautenden Namen hat niemand auf eine mögliche Verbindung zum Haus Reischach-Zimmern geachtet.» Irene Gysel ist sich sicher, dass noch viele Frauenschicksale erst wenig erforscht sind: «Wir vermuten noch viele vergessene Töchter der Geschichte, die darauf warten, entdeckt zu werden.»

Adriana Di Cesare

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