News aus dem Thurgau

Klare Worte gegen den Krieg in der Ukraine

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22.08.2022
Die Welt blickt auf Karlsruhe, wo sich Anfang September tausende Christinnen und Christen treffen. Die Erwartungen an die internationale Vollversammlung des Weltkirchenrats sind gross. Viele erhoffen sich klare Worte gegen den Krieg in der Ukraine.

Eine Woche lang wird Karlsruhe zum Zentrum der Christinnen und Christen aus aller Welt. Vom 31. August bis zum 8. September treffen sich in der Stadt über 3500 Delegierte aus 349 Kirchen zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen ÖRK. Dazu erwarten die Organisatoren zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus aller Welt. Als Gründungsmitglied des Weltkirchenrats gehört die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS zu den Einladenden. Im «Swiss Hub» in Karlsruhe kann man mit den Mitgliedern des EKS-Rates persönlich ins Gespräch kommen.

Politische und gesellschaftliche Brennpunkte
Auch Magdalena Zimmermann, stellvertretende Direktorin von Mission 21, reist nach Karlsruhe. «Der ÖRK ist für uns sehr wichtig, weil die meisten Kirchen, mit denen wir zusammenarbeiten, Mitglied sind», sagt sie. Zimmermann ist zudem Präsidentin des schweizerischen evangelischen Missionsrates, für den sie als Beobachterin an der Vollversammlung teilnimmt. Sie freut sich auf die riesige Auswahl an Angeboten, von Plenarveranstaltungen über Workshops bis zu den Begegnungsprogrammen. Das Motto «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» biete ein grosses Themenspektrum, das die politischen und gesellschaftlich-sozialen Brennpunkte – wie den Krieg in der Ukraine, den Klimawandel oder die Post-Pandemie-Situation – abdeckt, meint die Theologin. Dass man mit dem Motto auf die Liebe Christi Bezug nimmt, sei neu. Dahinter stehe die Frage, «woher wir die Kraft beziehen, in dieser Welt, die zunehmend gespalten und polarisiert ist, etwas Gutes zu bewirken».

Von der Vollversammlung erwartet Zimmermann, «dass sie die weltweite Kirche, die aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen besteht, sichtbar macht». «Bei uns sprechen wir vom Mitgliederschwund, während sich das Zentrum des Christentums in den globalen Süden verlagert hat.» Dort nimmt die Zahl der Christen deutlich zu, ebenso in China. «Sich dessen bewusst zu werden, finde ich spannend. Insbesondere in Basel, von wo aus man im 19. Jahrhundert die Missionare in die Welt schickte, um das Evangelium zu verkünden. Heute hat sich die Situation gedreht. Doch das Christentum wächst nach wie vor, an anderen Orten mit anderen Ausdrucksweisen.»

580 Millionen Christinnen und Christen
Der ÖRK vertritt rund 580 Millionen Christinnen und Christen aus über 120 Ländern. Die 10. Vollversammlung fand 2013 in Busan, Südkorea, statt. In Europa trafen sich die Delegierten zum letzten Mal 1968 im schwedischen Uppsala. Die ökumenische Bewegung wurde 1948 in Amsterdam ins Leben gerufen. Doch ausgerechnet die grösste christliche Konfession, die römisch-katholische Kirche, ist nicht Mitglied des Weltkirchenrats. Der Weltkirchenrat habe in den letzten Jahren das Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche, mit der Orthodoxie sowie den Pfingst- und evangelikalen Kirchen intensiviert, sagt Magdalena Zimmermann. Dies sei in die gemeinsamen Verlautbarungen eingeflossen. «Die verschiedenen christlichen Traditionen bekamen eine Stimme.»

Gegen Missbrauch der Religion
Zimmermann erwartet von der Vollversammlung eine klare Stellungnahme zum Ukrainekrieg. Vertreter des ÖRK reisten Anfang August in die Ukraine, um sicherzustellen, dass die ukrainischen Delegierten an der Vollversammlung teilnehmen können. In Karlsruhe wird die Aufnahme der ukrainisch-orthodoxen Kirche, die sich vom Moskauer Patriarchat losgelöst hat, im ÖRK zum Thema.

Der Moskauer Patriarch Kyrill ist an die Vollversammlung eingeladen, ob er kommt, bleibt fraglich. Magdalena Zimmermann findet es falsch und realitätsfremd mit Kyrill das Gespräch zu suchen. «Die russische Orthodoxie bildet unter Kyrill ein System mit Putin. Der Patriarch unterstützt das autokratische System und erhält dafür Privilegien. Einem solchen System kann man mit Vermittlung nicht beikommen. Man kann es nur klar ablehnen» Der Weltkirchenrat habe eine prophetische Aufgabe, betont sie. «Eine Kirche, die sich auf das Evangelium beruft, kann nicht schweigen und auch nicht neutral sein, wenn ein wesentlicher Repräsentant einer grossen Kirche wie Kyrill die Religion instrumentalisiert und missbraucht.»

Zimmermann erinnert daran, dass in zahlreichen Ländern seit Jahrzehnten Krieg herrscht, etwa im Jemen, in Syrien oder im Südsudan. Zum Nahostkonflikt arbeitet der ÖRK ebenfalls an einer Stellungnahme. Für viele Menschen seien gewaltsame Konflikte Alltag. «Es ist wichtig, dass die Länder aus dem globalen Süden sich vehement einbringen und ich erwarte, dass der ÖRK ihnen eine prominente Stimme verleiht und sich nicht ablenken lässt von russisch-orthodoxen Interventionen.»

Im Dilemma wegen Klimawandel
Der Klimawandel beschäftige vor allem die junge Generation aus den Ländern des Südens, so Magdalena Zimmermann. «Sie weisen zu Recht darauf hin, dass sie die Konsequenzen aus dem hohen Energieverbrauch der Industrieländer zu tragen haben.» Überschwemmungen und Trockenheit haben existenzielle Auswirkungen. Klimakatastrophen sorgen für Vertreibung, Hunger und Krieg.

Aus Sicht des Kampfes gegen den CO2-Ausstoss bringt das Treffen in Karlsruhe den Weltkirchenrat und seine Gäste in ein Dilemma. «Wer nicht mit schlechtem Gewissen ins Flugzeug nach Karlsruhe steigt, hat noch nicht begriffen, wie ernst die Situation ist», sagt Magdalena Zimmermann. Trotzdem ist sie überzeugt, dass die Gemeinschaft digital kaum ersetzt werden kann. Nichts fördere das Verständnis und das Vertrauen besser als die persönliche Begegnung. Man müsse diskutieren, wie man dies in Zukunft handhabe.

Magdalena Zimmermann hofft, dass die ernste Weltlage mit Kriegen, Klimawandel, Nationalismus, und Polarisierung zu einer «stachligen» Schlusserklärung führt, die aufrüttelt.

Karin Müller, kirchenbote-online

11. Vollversammlung des ÖRK: www.evref.ch, www.oikoumene.org/de

Von der ÖRK-Vollversammlung bloggt Pfarrer Tobias Arni
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