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Kommt das spanisch vor?

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19.12.2022
Losungen – «Das kommt mir spanisch vor», denken Menschen, die mit diesem Begriff nichts anfangen können. Blanca und Pfarrer Karl Friedrich Appl aus Märstetten können sich sehr wohl damit identifizieren. Die beiden übersetzen die deutschsprachigen Losungen ins Spanische. Eine aufwendige Arbeit. Wie kam es dazu?

Die Bibelstellen, die ausgelost werden, um Menschen auf der ganzen Welt täglich einen Gedankenanstoss zu vermitteln, finden ihren Niederschlag unter anderem im Andachtenbuch der Herrnhuter Brüdergemeine, das für jeden Tag des Jahres zwei Bibelverse enthält: die Losung aus dem Alten Testament und den Lehrtext aus dem Neuen Testament. Ergänzt werden die beiden Texte durch einen Liedvers, ein Gebet oder eine Interpretation. Die alttestamentliche Losung wird – wie es der Name sagt – ausgelost, die anderen Texte passend dazu ausgesucht. So weit, so einfach. Doch die Arbeit, die dahintersteckt, bedeutet einen grossen Koordinations-, Schreib- und theologischen Aufwand.

Eingespieltes Team
Besonders komplex ist es für Blanca Appl Ugalde, die aus Chile stammt und als diplomierte Übersetzerin mit Kirchenbezug geradezu prädestiniert war, um für die Übersetzung ins Spanische angefragt zu werden. Und was lag näher, als ihren Mann Karl Friedrich – genannt «Apo» – beizuziehen, um die theologische Überprüfung vorzunehmen? Seit mehr als zehn Jahren sind die beiden ein eingespieltes Team mit grossem Beziehungsnetz im lateinamerikanischen Raum, wo die spanischen Losungsbüchlein vor allem vertrieben werden.

Es brauche aber nicht nur vertiefte Spanisch- und Theologiekenntnisse für die Übersetzung der Losungen, «sondern vor allem auch viel Zeit und Freude», betont Blanca Appl. «Wir machen das, weil uns die gute Qualität und die Breitenwirkung am Herzen liegen.» In diesen Monaten haben sie die Ausgabe 2024 in Angriff genommen, die zugleich ihre letzte sein wird. Viele Texte schreibt Blanca Appl selber, aber sie koordiniert, sammelt und redigiert auch die Dritttexte, die von gut 20 Schreibenden stammen. Das mache die Arbeit besonders spannend, sagt Apo Appl, der dadurch beispielsweise auch mit dem obersten Seelsorger der chilenischen Kriminalpolizei in Kontakt kam.

Verbindende Wirkung
Die Arbeit für den spanischen Sprachraum sei besonders fruchtbar, «weil wir als ‹evangelische Familie› gross, untereinander aber doch gut vernetzt sind», sagt Blanca Appl, die Kontakte von den USA bis nach Feuerland im südlichsten Zipfel Südamerikas pflegt. Rund 15 Prozent der gesamten spanischsprechenden Bevölkerung seien evangelisch, wobei die Frömmigkeitsstile – von pfingstlich bis presbyterianisch – enorm vielfältig seien. Wichtig aber sei, dass die Losungsbücher einen verbindenden Charakter hätten und für Privat- wie Pfarrpersonen eine Hilfe im täglichen Umgang mit der Bibel seien. «Damit können wir täglich enorm viele Menschen erreichen », ist Apo Appl überzeugt.

Er betont, dass es unumgänglich sei, die deutschen Texte für den spanischen Sprachraum zugänglich zu machen. Blanca Appl erklärt, dass sie dafür bei allen Übersetzungen den Kontext der jeweiligen Lebenswirklichkeiten zu berücksichtigen versuche. Das sei eine grosse Herausforderung, so Apo Appl, der mehrere Jahre als Dozent für Kirchengeschichte an einer evangelischen Universität in Santiago de Chile gelehrt und geforscht hat: «Zu Kommt das spanisch vor? Zeiten des chilenischen Diktators Pinochet etablierten sich im Land zwei lutherische Kirchen – die eine war für, die andere gegen den Regenten.» Was ihn aber besonders freut: «Mitglieder beider Kirchen schreiben für unsere Losungsbücher.»

Zuerst Spanisch gelernt
Die Entwicklung der Kirchen in Lateinamerika verfolgt der heutige Vizepräsident von Mission 21 immer noch mit grosser Aufmerksamkeit. Heute sind ihm Land und Leute längst sehr vertraut. Als er aber in Chile Wohnsitz nahm, kam ihm doch einiges tatsächlich spanisch vor: So musste er zuerst bei einer Privatlehrerin Spanisch lernen, um sich überhaupt verständigen zu können. Die Vernetzungstätigkeit des einstigen Präsidenten der Basler Mission wurde dadurch zusätzlich beflügelt. Und es freut ihn, dass die Vernetzung heute noch viel weiter geht und eine Handy-App mit moderner Technologie dazu beiträgt, dass die Losungen auch jungen Leuten etwas weniger spanisch vorkommen.

 

Roman Salzmann

 

Hier können Sie die Gedanken der EKS-Präsidentin Rita Famos zur Jahreslosung «Du bist ein Gott, der mich sieht» (Genesis 16,13) nachlesen.

 

 

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