News aus dem Thurgau

Beten ist Beziehungspflege

min
20.02.2023
Kein Leben ohne Atmen. Kein Glauben ohne Beten. Das Gebet ist existenziell bedeutsam für das Glaubensleben. In ihm geschieht Anrede und die Hoffnung auf Antwort. Wie auch immer diese sich gestaltet: Beten ist Beziehungspflege und Gemeinschaftsvergewisserung.

Das Abendgebet am Kinderbett ist ein altes und immer noch verbreitetes Ritual. Anfangs ist es oft die Bitte um die bergende Anwesenheit Gottes, die die Kleinsten erfahren mögen. Wenn die Kinder älter werden, ist es eher der Tagesrückblick. «Am Abend sprechen wir noch einmal über den Tag», erzählt Frau K., Mutter eines Sohnes im Alter von fünf Jahren. «Und dann danken wir Gott für all das, was wir erlebt haben. Und wenn etwas geschehen ist, was uns Sorgen macht, dann bitten wir Gott um seine Unterstützung. Das machen wir jeden Abend so.»

Gebete schaffen Erinnerungen
Die Wiederholung und das Gemeinsame geben Sicherheit. Zudem ist das Gehirn kurz vor dem Einschlafen optimal für die Verankerung von Informationen eingestellt, betont Christiane Schurian-Bremecker (CVJM-Hochschule Kassel). «Ablenkungen fallen weg, in entspannter Atmosphäre in der Nähe seiner nächsten Bezugspersonen fühlt sich das Kind wohl.» So wundert es nicht, dass Gebete der ersten Lebensjahre in der Erwachsenenzeit in Krisenmomenten und oft sogar in Situationen fortgeschrittener demenzieller Veränderungen erinnert werden.

Beten geht oft «verloren»
Wer in seinen ersten Lebensjahren spüren durfte, dass da mehr ist, als wir Menschen – auch die Erwachsenen – gänzlich verstehen können, hat eine gute Basis für das weitere Glaubensleben. Oft aber geht das Beten mit dem Älterwerden «verloren»: Es ist zum Beispiel nicht «in», in der Öffentlichkeit vor dem Essen innezuhalten. Der «Alltagsverlust des Gebets» ist ein Zugeständnis an die sich säkularisierende Gesellschaft, die die Hinwendung zu Gott weitgehend als «kindlich» und «unerwachsen » zu erklären versucht.

Aber auch das Beten kann «erwachsen werden» und eine Ressource für den Alltag und für das ganz alltägliche Glauben, die Existenz des Menschen vor Gott werden. Es ist Ausdruck der Erwartung, dass es einen gibt, dem wir nicht egal sind. Wir sind nicht allein auf uns gestellt – und das nicht nur in den Krisen, die uns spüren lassen, dass wir Menschen Grenzen haben.

Beten als Gemeinschaftserfahrung
Wie aber wieder ans Beten anknüpfen, wenn die Sehnsucht da ist? Religionsunterricht, der das Glaubensleben ernst nimmt, wird immer wieder Hand bieten auch für das Beten. Das Unser Vater. Worte, die wir uns nicht selbst «ausdenken» müssen, die uns geschenkt sind. Anfangen ist immer möglich. In jedem Moment. Auch mit einem einfachen persönlichen Stossgebet. Richtig oder falsch gibt es dabei nicht. Wem es allein schwerfällt, der findet vielleicht in der Gemeinschaft betender Menschen wieder hinein in die Hinwendung zu Gott.


(Karin Kaspers Elekes)

 

Unsere Empfehlungen

Die Kirche geht zu den Menschen

Die Kirche geht zu den Menschen

Im Frühling wird der Romanshorner Pfarrer Lars Heynen Präsident der Redaktionskommission des Kirchenboten. Im Interview sagt er, wie er sich die Zukunft des viel gelesenen Blattes vorstellt.
Starke Beziehungen trotz sozialer Medien

Starke Beziehungen trotz sozialer Medien

Eine Vorliebe für Technologie, immer online, ungeduldig und fordernd, gesundheits- und umweltbewusst, mit einer Sprache, die man sonst kaum versteht: Wie die «Generation Z» auch Thurgauer Kirchgemeinden fordert.
Das Hungertuch sensibilisiert

Das Hungertuch sensibilisiert

Recht auf Nahrung, Essensproduktion und Ernährungsgewohnheiten: Diesen Themen widmet sich die Ökumenische Kampagne 2023 während der Passionszeit. Einen Beitrag zur Sensibilisierung leistet das Hungertuch.
Kirchengeläut und Schweigeminute

Kirchengeläut und Schweigeminute

Am Freitag, 24. Februar 2023 jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zum ersten Mal. Viele Kirchgemeinden organisieren zu diesem Anlass eine Gebetsfeier. Zudem sind sie aufgerufen, um 9 Uhr eine Schweigeminute einzuläuten.