News aus dem Thurgau

Flüchtlinge: Ruhe vor dem Sturm?

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28.03.2016
SULGEN TG. In etlichen Kirchgemeinden überlegen sich engagierte Mitglieder, wie sie Flüchtlingen helfen können. Die Zahl Asylsuchender ist zwar momentan nicht mehr gar so hoch und die Zusatzunterkunft in Sulgen vorübergehend geschlossen. Aber es könnte auch «die Ruhe vor dem Sturm» sein.

Von Roman Salzmann und Brunhilde Bergmann

Die vorübergehende Asylunterkunft in Sulgen wurde seit dem letzten Herbst betrieben, da der Ansturm an Flüchtlingen diese ausserordentliche Massnahme erforderlich machte. Geplant war der Betrieb bis Ende Januar, er wurde dann bis Ende Februar verlängert.

Ab April wieder für Flüchtlinge

Gemäss Sulgens Gemeindepräsident Andreas Opprecht ist die unterirdische Zivilschutzanlage aber ab Mitte April wieder als Unterkunft für Flüchtlinge verfügbar. Die Unterkunft dient zur Entlastung des Empfangs- und Verfahrenszentrums (EVZ) Kreuzlingen – eines der sieben nationalen Aufnahmezentren. Roger Boxler, Chef des EVZ, geht davon aus, dass es «sehr wahrscheinlich» ist, dass die Sulger Anlage von April bis August wieder gebraucht wird.

Deutsch dank Kirchen

Nicht zuletzt hätten die engagierten Freiwilligen, die von den Kirchen in Sulgen mobilisiert wurden, dazu beigetragen, dass eine positive Zwischenbilanz gezogen werden kann, sagt Roger Boxler. Die katholische und die evangelische Kirchgemeinde sowie die Freie Evangelische Gemeinde haben gemeinsam Deutschkurse oder Spielnachmittage angeboten. In ökumenischer Zusammenarbeit organisierte zudem die Kirchgemeinde Sulgen eine Weihnachtsfeier. Gemeindepräsident Andreas Opprecht bestätigt die guten Erfahrungen: «Es gab keine Probleme, die Asylsuchenden haben sich an die Regeln im Dorf gehalten, die Geschäftsbetreiber äusserten sich positiv, und es gab keine Delikte.»

Fremdlinge auch in der Bibel

Thurgauer Kirchenmitglieder lassen sich von den guten Erfahrungen motivieren. Viele besuchten einen Impulsabend in Weinfelden des Thurgauer Arbeitskreises für Kirche und Theologie (Takt) in Zusammenarbeit mit den beiden Landeskirchen. Viele Kirchgemeinden engagieren sich bereits in vielfältiger Weise. Kreuzlinger Jugendliche der christlichen Jugendgruppe «boje» bauten gemeinsam mit Jugendlichen aus dem EVZ überdimensionierte Freiluft-Brettspiele. Mit dem Integrationsprojekt «Selam» in Frauenfeld unterstützen verschiedene landes- und freikirchliche Gemeinden und die Sozialstiftung Wetterbaum Flüchtlinge, zum Beispiel bei der Vermittlung von Wohn- und Arbeitsplätzen. 

Waschmaschine bedienen

Niederschwellige Hilfe bietet auch die Integrationsgruppe in Steckborn, die von der evangelischen und katholischen Kirchgemeinde, der Chrischona-Gemeinde, der SP und der Politischen Gemeinde Steckborn aufgezogen wird: Das Team bietet Hilfe und zeigt den Flüchtlingen, wie sie alltägliche Anwendungen erlernen können, zum Beispiel wie eine Waschmaschine zu bedienen ist. Hanspeter Rissi, Seelsorger am EVZ Kreuzlingen, macht sich Sorgen, dass Flüchtlinge, die in abgelegene Dörfer ohne Anbindung mit öffentlichem Verkehr zugewiesen werden, in die Isolation gedrängt werden könnten. Er träumt von einer «Kirche auf Rädern» und regt Kirchgemeinden an, Mitfahrgelegenheiten zu organisieren.

Vernetzung ist wichtig

Die Thurgauer Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, sich zu vernetzen und nicht isoliert vorzugehen. Die Verantwortlichen sind sich einig: Falls derzeit nur «die Ruhe vor dem Sturm» herrscht, ist es wichtig, dass man sich allerorts intensiv mit der Flüchtlingswelle auseinandersetzt und sich darauf einstellt, dass man früher oder später persönlich davon betroffen sein könnte. 

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