Jede Schülerin erhält einen Denar
«Gleichnisse sind eine Herausforderung, auch für Erwachsene», sagt Susy Zublasing. Die Wittenbacherin unterrichtet seit zwanzig Jahren Religion an der Primarschule. Denn ein Gleichnis benutze Bilder, sei nicht wortwörtlich gemeint. «Die Schüler müssen zuerst lernen, zwischen den Zeilen zu lesen.» Als Einstieg erklärt Zublasing den Kindern Redewendungen: «Ich habe ein Brett vor dem Kopf» oder «Das Wasser steht mir bis zum Hals». So lernen sie, zwischen dem wortwörtlichen und dem übertragenen Sinn zu unterscheiden.
Rund drei Gleichnisse behandelt Zublasing im Unterricht. Zum Beispiel dasjenige von den Arbeitern am Weinberg (Mt 20,1-16). Die Menschen hätten Jesus gefragt: «Wie ist das nun mit diesem Himmelreich?» Da habe Jesus geantwortet: «Das ist schwierig zu erklären. Ich versuche es mit einer Geschichte.» So erzählt auch Zublasing den Kindern eine Geschichte, und zwar anschaulich: Sie schmückt sie aus, zeichnet ein Bild während des Erzählens, und an der entscheidenden Stelle erhält jedes Kind eine Münze, einen Denar. So erleben die Kinder die Geschichte hautnah mit und sind bereit für den nächsten Schritt: die Deutung.
Gleichnisse selbst erspüren
«Ein Gleichnis sagt etwas über Gott aus oder über unser Leben», ist Zublasing überzeugt. Doch wie man ein Gleichnis verstehe, hänge von der eigenen Lebenssituation ab. «Wer liebevolle Eltern hat, versteht das Gleichnis vom verlorenen Sohn ganz anders, als wer in schwierigen Verhältnissen aufwächst.» Deshalb lasse sie die Deutungen der Schüler immer stehen, ohne sie zu kommentieren. Eigentlich nie teile sie ihnen ihre eigene Deutung mit – selbst dann nicht, wenn von den Schülern nichts kommt, wenn sie den Zugang zu den Gleichnissen nicht finden. «Dann ist es wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Gleichnisse muss man selbst erspüren.»
Text: Stefan Degen | Zeichnung: Joann Wenzig, 10 Jahre, Wittenbach – Kirchenbote SG, Mai 2020
Jede Schülerin erhält einen Denar