News aus dem Thurgau

«Ich glaube an die Macht der Worte»

min
22.06.2022
Patti Basler, bekannt aus Funk und Fernsehen sowie Trägerin des Salzburger Stiers 2019, der höchsten Auszeichnung für Kabarettschaffende der westlichen Hemisphäre, hat ihre religiöse Ader entdeckt. Dem Kirchenboten gab sie ein Exklusivinterview.

Im Juni bist du* in der Basler Nacht des Glaubens und in der Predigerkirche in Basel aufgetreten. Wie erklärst du die Auftritte bei religiösen Veranstaltungen?
Ich bezeichne mich ja als Hure des Systems. Das ist zwar nicht unbedingt eine schmeichelhafte Bezeichnung, aber sie ist insofern richtig, als dass ich mich dem kapitalistischen System andiene. Die Kirche macht das im Übrigen auch bis zu einem gewissen Grad. Sie lebt von Geldern, die sie erhält und in irgendeiner Form verwendet. Wenn ich bei religiösen Organisationen etwas machen kann, das mir entspricht, hinter dem ich stehe und wofür bezahlt werde, dann trete ich in einer Kirche auf – zumal ich als Geisteswissenschaftlerin der Theologie nicht abgeneigt bin. Ein theologisches Basiswissen sollten eigentlich alle Menschen haben. Die abendländische Religionsgeschichte hat unsere Kultur enorm mitgeprägt.

In Umberto Ecos Roman «Der Name der Rose» ist das Lachen verboten. Mit wie vielen Jahren im Fegefeuer rechnest du als geborene Katholikin?
Was Eco publiziert hat, ist unglaublich spannend. Er hat tolle Geschichten geschrieben, aber er hat keine Deutungshoheit. Das Fegefeuer wurde ja inzwischen abgeschafft. Ich selbst lache zudem nicht viel. Insofern muss ich da gar keine Angst haben. Meine eigenen Auftritte bringen mich nicht zum Lachen. Ausserdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ein gütiger Gott, sollte er existieren, das Lachen verbieten würde – im Gegenteil.

Freust du dich auf die nächste Covid-Impfung?
Eine Impfung ist ähnlich wie eine Taufe. Man erhält etwas, das eine Wirkung verspricht. Als Laie kann ich die Wirkung der Impfung zwar nicht nachvollziehen. Wenn sie empfohlen ist, mache ich das hingegen gerne.

Was erwartest du am Ende des Lebens?
Am Ende des Lebens erwarte ich ganz einfach den Tod. Diesem habe ich allerdings noch nie viel abgewinnen können. Ich verstehe aber Menschen, die ihre Hoffnung daran knüpfen, dass es im Jenseits besser sein soll. Ich selbst habe es im diesseitigen Leben gut. Deshalb muss ich meine Hoffnung nicht ans Jenseits knüpfen.

Als Kabarettistin nimmst du alles und jeden auf die Schippe.
Ich nehme nicht alles auf die Schippe, sondern nur das, was ich für genügend relevant und unterhaltsam halte. Ich versuche, eine gewisse Pietät und Empathie den Lebendigen gegenüber zu wahren, insbesondere zu den Menschen am Rande der Gesellschaft. Denn es besteht die Gefahr, dass man die Falschen trifft. Ich nehme nur Leute auf die Schippe, die es verdient haben, die sich Mühe gegeben haben, ein solches Gewicht in unserer Gesellschaft zu erlangen, dass sie auch mit Spott rechnen müssen. Dafür ist die Satire da.

Gibt es Dinge im Leben, die dir trotzdem heilig sind?
Heilig? Jein. In meinen Strukturen ist nicht angelegt, dass ich Sakralität über etwas überstülpe. Der Heilige Stuhl des Papstes ist mir nicht heiliger als andere Stühle. Auch der Papst ist für mich als Katholikin nicht heilig. Er ist ein Mensch, der enorme Macht hat. Insofern ist er mir eher etwas suspekt. Denn alle Menschen mit Macht laufen Gefahr, diese zu missbrauchen und korrumpierbar zu werden.

Für viele Menschen ist Humor Lebenselixier, für den entführten Millionenerben Jan Philipp Reemtsma war er gar Überlebensstrategie. Was bedeutet Humor für dich?
Wichtig ist ja, was der Humor bei den Menschen bewirkt. Humor ist ein Anlachen gegen die Welt, gegen alles Schlechte und letztlich gegen den Tod. Im Humor kann sogar der Tod verspottet werden. Wenn man alles, das es verdient, mit Pathos und Trauer belegte, würde man an der Welt verzweifeln. Humor schaut nicht weg und ist gleichzeitig ein Instrument, welches das Leben leichter macht.

Deine Sendung im Schweizer Radio SRF 1 trägt den Titel «Die dargebotene Faust». Kann Gewalt auch eine Lösung sein?
Ja, es ist aber ein blöder Ansatz. Ich bin Wortkünstlerin und Satirikerin, weil ich an die Macht der Worte und des Diskurses glaube. Würde ich an die physische Gewalt glauben, wäre ich Kampfsportlerin geworden.

Lukas Holliger von SRF sagt über dich: Wortspiele sind ihr Colt.
In einem Live-Gespräch oder Instant-Protokoll kann ich schon mal ein Schnellfeuer mit Wortspielen abgeben. Aber es ist sicher nicht die einzige Waffe, die ich im Repertoire habe. Das wäre sonst ein bisschen traurig.

Finden die Mitmenschen dich nicht manchmal anstrengend?
Mein privates Umfeld ist froh, dass ich die Bühne habe. Denn Kunst ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Kunst muss einfach raus. Allerdings kann ich meine Person gut steuern. Ich bin immer die Gleiche, zeige aber jeweils nur einen Teil von mir. Zudem verfüge ich über genügend Resilienz, bin geerdet. Ich muss nicht dauernd fröhlich sein. Als relativ rationaler Mensch geht bei mir vieles zuerst durch den Kopf, bevor es in den Bauch absackt. Manchmal suche ich auch das Traurige. Denn beim Schreiben ist der Schmerz der stärkere Antreiber als das Glück.

Hat es dich belastet, dass du im Aargau aufgewachsen bist? Oder siehst du das Autonummernschild AG, geläufige Abkürzung für «Achtung, Gefahr!», gar als Vorteil?
Ich sehe bei der Abkürzung AG eher Andreas Glarner. Damit ich nicht mit seinen Initialen durch die Schweiz kurven muss, fahre ich in letzter Zeit lieber mit den SBB. «Achtung, Gefahr!» gilt heute ja sowieso eher für die Stadtzürcher Mobility-Fahrer, die sich alle sechs Monate ein rotes Auto ausleihen und aufgrund ihrer ungenügenden Fahrpraxis die Strassen unsicher machen.

Dein aktuelles Programm heisst «Nachsitzen». Hast du als ehemalige Schülerin darin Erfahrung?
Ja. Weil ich oft zu spät in die Lateinstunde kam, habe ich zur Strafe viele Mittwochnachmittage mit dem Lesen von «Asterix & Obelix»-Heftchen auf Lateinisch verbracht. Das hatte dann auch sein Gutes.

Du bist studierte Erziehungswissenschaftlerin und Kriminologin: Ist die Schule heute zu gefährlich, als dass Du unterrichten würdest? Falls doch: Würdest du als Lehrerin, wie Donald Trump empfiehlt, eine Waffe tragen?
Die Situation ist tatsächlich angespannt und man könnte sie dadurch lösen, indem man allen Lehrpersonen eine Waffe in die Hand drücken würde (lacht). Das Problem ist ja, dass es zu wenige Lehrkräfte und zu viele Kinder gibt. Wenn man die Schüler durch Waffengewalt dezimieren würde, hätte man einen Teil des Problems gelöst. Allerdings würden dann wieder zu wenige Lehrer zur Verfügung stehen, weil diese im Knast sitzen. Schlussendlich lässt sich mit Waffen das Problem nicht lösen. Das zeigt auch das Beispiel USA. In Amerika hat man lasche Waffengesetze, dafür harte Abtreibungsgesetze. Das ungeborene Leben ist besser geschützt als das geborene. In den USA lässt man die Kinder lieber zuerst zur Welt kommen. Und wenn man sie dann ein bisschen liebgewonnen hat, sterben sie durch einen Amoklauf. Nein, natürlich lehne ich es ab, dass Lehrer und Lehrerinnen eine Waffe tragen. Zum Glück ist in der Schweiz Gewalt von Schülern gegen Lehrer sehr selten.

Sind Frauen die besseren Menschen?
Mit den Kategorien gut und schlecht kann ich nicht soviel anfangen. Also nein. Im Durchschnitt sind Frauen aber, evolutionär bedingt, die sozial verträglicheren Menschen. Eine Frau muss anpassungsfähig sein, sonst stirbt sie, bevor sie sich reproduziert hat. Bevor der Mann stirbt, hat er sein Erbgut schon längst mehrfach weitergegeben. Eine Frau denkt längerfristig. Sie muss Jahre oder Jahrzehnte in die neue Generation investieren, sie hüten und pflegen. Entsprechend darf sie nicht risikoreich leben und beispielsweise mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn brettern. Männer hingegen neigen dazu, sich und andere stärker zu gefährden. Dass Frauen weniger kriminell und gewalttätig sind, zeigt die Kriminalstatistik. Was aber nicht heisst, dass Frauen bessere Menschen sind.

Ist Patti Basler ein Pseudonym oder dein richtiger Name?
Kein Pseudonym. Mein Geburtsname ist Patricia. Mir ist aber Patti lieber. Denn Patricia riefen mich meine Eltern nur, wenn sie genervt waren.

Welche Rolle im Leben spielt dein Bühnenpartner Philippe Kuhn?
Wir leben in einer eingetragenen Bühnenpartnerschaft.

Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor? Gibt es Rituale?
Ja, Rituale oder Ritalin. Mit Philippe trinke ich meistens einen Espresso und ein Glas Weisswein.

Interview: Toni Schürmann, kirchenbote-online

*Auf Wunsch von Patti Basler erfolgt das Interview in Du-Form, weil das Sie keine Nähe zulasse und infolgedessen respektlos wäre. Ausserdem seien vor Gott alle gleich.

Mehr über Patti Basler und ihre nächsten Auftritte: www.pattibasler.ch

Unsere Empfehlungen

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Ostern ist der höchste Feiertag für die Christenheit. An diesem Tag feiern die Gläubigen die Auferstehung des Herrn. Doch wer in diesen Tagen die Läden betritt, stellt rasch fest: Der eigentliche Star heisst Meister Lampe. Wie kommt das Christentum zu den Eiern und den Hasen?
Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Die Ukraine kämpft um ihr Überleben. Auch die Kunst des Landes leistet ihren Beitrag dazu. Das Kunstmuseum Basel präsentiert derzeit in der Ausstellung «Born in Ukraine» eine Auswahl bedeutender Werke aus der Kyjiwer Gemäldegalerie, dem nationalen ukrainischen Kunstmuseum.
Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

170 Jahre nach der Gründung des Diakonissenhauses Riehen beleuchtet eine Ausstellung mit Fotos und Texten die Geschichte der Kommunität. Sr. Delia Klingler lebt seit 2017 als Schwester hier. Der Kirchenbote hat mit ihr die Ausstellung besucht.