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Nationalfeiertag

Anders Stokholm: «Das Rütli ist überall»

von Vera Rüttimann
min
31.07.2025
Was hält die Schweiz im Innersten zusammen? Diese Frage wird Pfarrer Anders Stokholm, Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, am 1. August auf dem Rütli beantworten, wo er die Begrüssung übernimmt.

Anders Stokholm, am 1. August werden Sie die Begrüssung zur Bundesfeier auf dem Rütli halten. Wie kam es dazu?

Das Rütli wird von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) im Auftrag des Bundesrates verwaltet. Dazu gehört auch die Organisation und Durchführung der Bundesfeier am 1. August. Dabei kommt dem Präsidenten der SGG die Aufgabe zu, die Begrüssung zu halten. Oder sogar, wenn ausnahmsweise keine Rednerin oder kein Redner gefunden werden konnte, die Festansprache zu halten, wie das 2024 der Fall war. Da ich seit 2024 Präsident bin, darf ich dies übernehmen.

Was bedeutet Ihnen als reformierter Pfarrer dieser Aufritt auf der Gründungswiese der Eidgenossenschaft?

Ich tue dies nicht in erster Linie als Pfarrer, sondern als Präsident der SGG. Die SGG setzt sich für den sozialen Zusammenhalt, eine aktive Zivilgesellschaft und eine lebendige Demokratiekultur ein – Zielsetzungen, die ich als Bürger, Politiker wie auch als Pfarrer vollumfänglich unterstütze. Und wo, wenn nicht auf dem symbolträchtigen Rütli könnte dies besser zum Ausdruck kommen?

Als Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, welche Botschaft möchten Sie den Anwesenden übermitteln?

Die Schweiz ist ein vielfältiges Land – von ihrer Landschaft, Kulturen und Sprachen her. Sie liegt im Herzen von Europa und ist auch durch diese Lage geprägt. Diese Vielfalt als Reichtum zu sehen, sich darüber zu freuen, darauf stolz zu sein und vor allem daraus zu schöpfen, das führt uns auf dem Rütli zusammen – aber nicht nur dort, sondern auch überall, wo die Bundesfeier stattfindet, in den Städten und Gemeinden.

 

Der gebürtige Däne Anders Stokholm studierte Theologie in Zürich und begann seine Laufbahn als Pfarrer in der Kirchgemeinde Burg in Stein am Rhein (SH). Er war Stadtpräsident von Frauenfeld und Präsident des Schweizerischen Städteverbands.

Seit 2024 ist Stokholm Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und seit Juli 2025 reformierter Pfarrer in Erlenbach.

 

Igelt sich die Schweiz zu stark ein?

Mir ist wichtig, diesen Reichtum nicht ängstlich für sich behalten zu wollen. Wir brauchen uns nicht einzuigeln, sondern wir können voller Selbstvertrauen die Vielfalt dazu einsetzen, uns als Land weiterzuentwickeln – zum Nutzen für uns alle hier in der Schweiz und auch für Europa und die Welt.

Für die einen ist das Rütli der bedeutendste Erinnerungsort der Schweiz. Anderen sagt dieser Ort gar nichts. Was bedeutet das Rütli, gerade in diesen schweren Zeiten?

Das Rütli ist ein symbolträchtiger Ort. Hier verdichtet sich das Selbstverständnis der Schweiz als ein Land, das durch einen Bund entstanden ist. Im Wort Bund steckt das Verbindende. Die Verschiedenheiten werden nicht als Trennendes verstanden, sondern sie werden zusammengebracht, weil daraus mehr entsteht: Stärke, Unabhängigkeit, Freiheit, Geschwisterlichkeit und manches mehr.

Warum ist es wichtig, sich heute darauf zu besinnen?

Sich darauf zu besinnen und die eigene Geschichte zu kennen, ist wichtig, weil man nur so weiss, in welcher Richtung man unterwegs ist. Geschichte und Rückblick allein genügen aber nicht – ihren wahren Wert erhalten sie erst, indem sie in der Gegenwart Impulse geben für die Zukunft. Die SGG wünscht sich, dass dies nicht nur auf dem Rütli, sondern überall in der Schweiz geschieht: Das Rütli soll also überall in der Schweiz sein – auch in der Stadt, der Agglomeration, im Dorf und auf dem Land. Impulse für den sozialen Zusammenhalt, für eine aktive Zivilgesellschaft und lebendige Demokratiekultur braucht es überall und jederzeit, im Moment sogar wohl mehr als zu anderen Zeiten.

Welches Thema steht dieses Jahr im Zentrum der Bundesfeier?

Dieses Jahr ist es das Thema Sprachenvielfalt. Dabei denken wir nicht nur an die vier offiziellen Landessprachen, sondern auch an die unzähligen Dialekte, die sich manchmal von Tal zu Tal markant unterscheiden. Und es geht noch weiter, da wir als Land im Herzen von Europa seit jeher auch Schmelztiegel von Menschen aus vielen weiteren Ländern sind. Auch diese Sprachenvielfalt ist etwas, worauf wir nicht nur stolz sein dürfen, sondern die wir auch nutzen sollten.

Sprachen haben etwas Verbindendes ...

Genau. Wir können zeigen, dass die Sprachen uns nicht trennen und auseinanderbringen. Wir können sie vielmehr nutzen, um französischen Esprit, italienisches Feuer, deutschen Fleiss und rätoromanische Eigenständigkeit – um nur einige Stereotypen zu nennen – zu einem Erfolgsmix zusammenzubringen, der aus einem der ärmsten Länder des 19. Jahrhunderts eines der reichsten des 21. Jahrhunderts gemacht hat.

 

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