Das Werk eines Schweizers
Die Communauté de Taizé umfasst heute 80 Brüder aus rund 30 Ländern. Bekannt wurde sie vor allem durch den Erfolg ihrer Europäischen Jugendtreffen. Diese finden seit 1978 an verschiedenen Orten des Kontinents statt. Insgesamt haben bisher rund zwei Millionen Jugendliche aus verschiedenen christlichen Konfessionen an den Treffen teilgenommen.
Die Communauté de Taizé wurde 1944 im gleichnamigen Dorf im Burgund zwischen Lyon und Dijon gegründet. Am Ostersonntag, dem 17. April 1949, legten die ersten sieben Brüder protestantischer Herkunft ihre Gelübde ab und verpflichteten sich zu einem Leben in Ehelosigkeit, Gemeinschaft und Einfachheit. Bald schlossen sich auch Katholiken der Bewegung an.
Flüchtlinge versteckt
Der Gründer Roger Schutz, später Frère Roger genannt, wurde 1915 als neuntes Kind eines Pfarrers im Kanton Waadt geboren. Nach dem Theologiestudium wird er zum evangelischen Pfarrer ordiniert. Mit 25 Jahren geht er nach Taizé im Burgund. Hier, in der Abgeschiedenheit der Weinberge, will er seine Vision einer religiösen Gemeinschaft verwirklichen. «Kauf das Haus und bleib hier. Wir sind so einsam», versucht ihn eine alte Frau zu überzeugen. Roger Schutz erkennt hinter dieser Stimme Christus.
Roger Schutz: Die Gemeinschaft von Taizé berührt Menschen bis heute.
Roger Schutz kauft ein leerstehendes Bauernhaus, in dem er während des Zweiten Weltkriegs Flüchtlingen, Juden und Gegnern des Nationalsozialismus Unterschlupf gewährt. Sein Vorbild ist seine Grossmutter, die im Ersten Weltkrieg französische Flüchtlinge aufgenommen hatte. Als Roger Schutz 1942 von der Gestapo verraten wird, flieht er in die Schweiz.
Nach dem Krieg kehrt Roger Schutz zurück und gründet die Communauté de Taizé. An Ostern 1949 verpflichten sich sieben Brüder, ihr Leben lang in Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam gegenüber der Gemeinschaft zu leben – zunächst nur Reformierte, später auch Katholiken.
Spirituelles Woodstock
Seit den sechziger Jahren pilgern Jugendliche aus aller Welt in das burgundische Dorf. Tausende Jugendliche und junge Erwachsene diskutieren bei den wöchentlichen Treffen über Glaubens- und Sinnfragen, beten und feiern. Taizé ist ein spirituelles Woodstock. Die Mischung aus Bibelarbeit, lockerem Miteinander, Gebet, bescheidener Unterkunft und Verpflegung macht den besonderen Reiz des Ortes aus. «Ausser Kaffee war fast alles kalt», schreibt die junge Margarete Meyer zu Bargholz in ihr Tagebuch. «Erbsen, Wurst, kleine unreife Pfirsiche und Weissbrot. Und nach dem letzten Kirchgang Wein aus Plastikbechern. Aber trotzdem möchte ich diese Erfahrung nicht missen.»
Die Gesänge und die Liturgie von Taizé werden zum Markenzeichen der Gemeinschaft und bald in Kirchengemeinden auf der ganzen Welt gefeiert. Taizé wird zum Symbol der Versöhnung unter den Christen. Seit Jahrzehnten feiern die Brüder gemeinsam die Eucharistie. Als Papst Johannes Paul II. stirbt, nimmt Frère Roger an der Trauerfeier teil. Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., reicht dem reformierten Roger Schutz die Kommunion. Diese kleine Geste erregt grosses Aufsehen. Für Katholiken ist sie ein Frevel. «Lieben und es mit seinem Leben bezeugen», das war Frère Rogers Motto. Im Jahr 2005 wird er von einer geistig verwirrten Frau ermordet.
Kontakte zum Islam
Sein Nachfolger war 18 Jahre lang der deutsche Katholik Alois Löser. Im Dezember vergangenen Jahres übergab Frère Alois sein Amt als Prior an Frère Matthew. Der Brite gehört der anglikanischen Konfession an. Damit hatte die Communauté in ihrer Geschichte drei Prioren aus drei verschiedenen Konfessionen.
Für Taizé sei trotz gelebter Ökumene die Einheit der Christen nie ein Ziel an sich gewesen, sagte Frère Matthew gegenüber EPD. Christen könnten aber als Katalysator für den Frieden in der Menschheitsfamilie wirken. Inzwischen haben sich die Kontakte von Taizé auch auf andere Religionen wie den Islam ausgeweitet. Heute kommen mehr Menschen nach Taizé als vor 20 Jahren. In normalen Wochen sind es zwischen 3000 und 4000. Es kämen auch immer mehr Jugendliche nach Taizé, die keinen Bezug zur Kirche hätten, sagt Frère Matthew. «Sie suchen nach einem Sinn in ihrem Leben und sind bereit, am Leben und Gebet einer christlichen Gemeinschaft teilzunehmen.»
Das Werk eines Schweizers