News aus dem Thurgau

Die Kinderkirche neu erfunden

von Roman Salzmann
min
05.09.2023
«Kiki», die quirlige Schildkröte reagiert auf die gesellschaftliche Entwicklung: Das Maskottchen der «Kinderkirche» trägt dazu bei, dass Kinder biblische Inhalte selbst ausserhalb kirchlicher Anlässe vermittelt bekommen. Dazu werden das «Kiki»-Magazin und der Internetauftritt neu lanciert.

Der Verband Kind und Kirche sieht die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auf das kirchliche Leben auswirken, als Chance, sagt Markus Fässler. Er war bis vor einem Jahr Pfarrer in Zürich Höngg und setzt sich auch nach der Pensionierung dafür ein, dass Kinder den Zugang zum christlichen Glauben finden: «Früher hörten viele Kinder in der Sonntagsschule biblische Geschichten und erhielten ergänzend das ‹Kiki›-Magazin. Wir haben nun die Logik umgedreht: Das Heft soll auch Kindern, die nie an einem Kinderanlass teilnehmen, biblische Inhalte vermitteln.» Die neugierige Schildkröte werde dazu noch mehr aktiviert als zuvor: «‹Kiki› wird gewissermassen ganz neu lebendig. Wir haben deshalb Handpuppen anfertigen lassen, damit man an Anlässen Kinder besser abholen kann.» Der Verband habe aus diesem Grund auf der Homepage auch eine Handpuppen-Spielanleitung veröffentlicht. «Damit sollen Mitarbeitende in Kirchgemeinden ermutigt werden, thematisch ernsthaft, manchmal auch humorvoll zu philosophieren.»

Neues Team, neues Gesicht

Das «Kiki»-Magazin selber habe eine Verjüngungskur durchlebt und werde mit neuem Gesicht von einem neuen Redaktionsteam und einem neuen Grafiker betreut. Fässler bringt es auf den Punkt: «Wir haben unsere Kinderkirche gewissermassen neu erfunden.» Das Heft liefere zehnmal im Jahr spannende Geschichten, biblische Inhalte, Rätsel, Witze und Spielideen für Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren.

 

Lebendig und kindgerecht

Die Redaktionsleitung von «Kiki» liegt bei Pfarrerin Claudia Laager aus Eriswil, die betont: «Die biblischen Geschichten sind ein riesiger Schatz, den ich zusammen mit Ines Jenny lebendig und kindgerecht erzählen möchte. Wir nehmen die Kinder auf eine Wanderung mit und fragen uns immer, was für die Kinder wichtig ist und was von ihrem Erleben her nachvollziehbar ist. Um die inhaltlichen Schwerpunkte der biblischen Geschichte herum werden dann Rätsel, Spiele und Rezepte gesucht, auch wenn die Kinder wohl meisten mit den Witzen oder dem Comic beginnen.» Den Zürcher Grafiker Stefan Frey (siehe auch «Nachgefragt» im Kasten) faszinierte es, «einer bewährten und erfolgreichen Zeitschrift neues Leben einzuhauchen». Es mache Spass, immer wieder neue Ausgaben zusammenzustellen. Gedruckte Zeitschriften hätten in einem guten Zusammenspiel mit Onlinemedien nach wie vor ihre Berechtigung, weil sie «mehr sinnliche Erlebnisse bieten».   Um die Religionslehrpersonen zusätzlich zu unterstützen, gibt der Verband deshalb zudem das religionspädagogische Fachmagazin «kind.» heraus, das von der Winterthurer Lehrerin, Katechetin und Theaterpädagogin Renate Striegel verantwortet wird.

 

Die Redaktionsleitung von «Kiki» liegt bei Pfarrerin Claudia Laager aus Eriswil, die betont: «Die biblischen Geschichten sind ein riesiger Schatz, den ich zusammen mit Ines Jenny lebendig und kindgerecht erzählen möchte.» (Bild: pd)

Die Redaktionsleitung von «Kiki» liegt bei Pfarrerin Claudia Laager aus Eriswil, die betont: «Die biblischen Geschichten sind ein riesiger Schatz, den ich zusammen mit Ines Jenny lebendig und kindgerecht erzählen möchte.» (Bild: pd)

Erfahrungen nutzen

Zwar weht beim Verband Kind und Kirche ein neuer Wind. Doch werde er auch von altgedienten Mitarbeitenden weiterhin unterstützt, freut sich Fässler. Der frühere Grafiker des Hefts, Christoph Weiller aus Winterthur, engagiere sich in der Reformierten Kirchgemeinde Oberwinterthur und bleibe dem Verband erhalten. Er verantworte weiterhin die Gestaltung der Webseite und des neuen Projekts ‹kindplus.ch›, wo wertvolles pädagogisches Zusatzmaterial für Kirchenmitarbeitende zu finden ist. Gewissermassen ist das moderne «kiki» auch aus Weillers «Kiki-Familiendynastie» herausgewachsen: Seine Schwester Silvia Bühler aus Luzern betreut nämlich seit Jahren das Korrektorat der Zeitschrift, was ihr besonders Freude macht, denn: «Erstens sind die Farben spritziger geworden, und zweitens werden die biblischen Geschichten mit der heutigen Zeit verknüpft und erklärt.» Sie trägt mit ihrer Arbeit dazu bei, dass die Inhalte verständlich sind. Zudem achtet sie darauf, dass zum Beispiel bei den Spiel- und Kochvorschlägen keine unnötigen Gefahren für die Kinder bestehen, wenn sie sie ausprobieren. Zur «Kiki-Familiendynastie» gehört auch die Mutter der beiden, das «Sonntagsschul-Urgestein» Helen Dormann aus Bergdietikon. die dem neuen Team immer noch nahe steht: Sie hat sich sehr engagiert, damit das «alte» Kindersonntagsschulblatt die Transformation zum heutigen «Kiki»-Magazin geschafft und die heute farbige Fortsetzung gefunden hat. Prägend in der «Kiki»-Entwicklung über die vielen Jahre der Veränderung war auch die Arboner Webentwicklerin und einstige Vollzeitpädagogin Gabriela Müller.

Kinderseite im Unterricht

Markus Fässler freut sich, dass sich das eigene Verbandsengagement dynamisch entwickelt und sich darüber hinaus beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit dem Thurgauer Kirchenboten für die kantonale Kinderseite gut etabliert hat: Die Bischofszellerin Manuela Zürcher stellt in Zusammenarbeit mit dem Verband Kind und Kirche jeden Monat für den Thurgauer Kirchenboten die Kinderseite zusammen. Die gelernte Primarlehrerin will mit diesem Engagement dazu beitragen, dass Kinder niederschwellig und spielerisch mit der Kirche und dem Glauben in Kontakt kommen: «Die Kinderseite ist eine einmalige Chance dazu. Weil wir jeden Monat auch Interviews mit Kindern verschiedenen Alters machen, findet sie zusätzliche Beachtung. Zum Teil wird die Kinderseite sogar im Religionsunterricht oder in der Jungschar thematisiert.»

 

Manuela Zürcher sieht die Kinderseite im Kirchenboten als Gelegenheit, die jüngsten Kirchenmitglieder zielgruppengerecht mit christlichen Inhalten zu erreichen. Die Schildkröte «Kiki» begleitet Kinder sowohl auf der Kinderseite als auch im «Kiki»-Magazin und an Kirchenanlässen. (Bild: sal)

Manuela Zürcher sieht die Kinderseite im Kirchenboten als Gelegenheit, die jüngsten Kirchenmitglieder zielgruppengerecht mit christlichen Inhalten zu erreichen. Die Schildkröte «Kiki» begleitet Kinder sowohl auf der Kinderseite als auch im «Kiki»-Magazin und an Kirchenanlässen. (Bild: sal)

Interviews mit Kindern

Sie freue sich deshalb, wenn sich immer wieder andere Kinder, deren Eltern oder Leiterinnen und Leiter von Kinder- und Jugendgruppen in den Thurgauer Kirchgemeinden melden, um selber bei den Interviews mitzumachen. Für die bald zweifache Mutter ist es praktisch, dass sie diese Aufgabe von zu Hause aus wahrnehmen kann. Es sei ihr ein Anliegen, die Kinder an die Kirche heranzuführen. Dazu sei der Kirchenbote als stetiges Kommunikationsmittel eine Gelegenheit, die es unbedingt zu nutzen gelte, da er jeden Monat in alle evangelischen Haushalte flattert. Die Zusammenarbeit mit Religionslehrpersonen und anderen Verantwortlichen der Kinder- und Jugendarbeit sei dabei wesentlich, denn: «Wir müssen uns alle gemeinsam überlegen, wie wir in der heutigen Zeit junge Menschen über alle möglichen Kanäle erreichen.»

Auch in Glarus und Schaffhausen

Im Kanton Glarus erscheint jeweils auf der letzten Seite des «reformiert.GL» seit einiger Zeit ein Rätsel von «Kiki», das ebenfalls schon selbstverständlich zum Blatt gehört. «Ich finde es wichtig, dass sich im Kirchenboten auch Kinder und Jugendliche wiederfinden», erklärt Redaktorin Johanna Göring. Junge Menschen noch via Printprodukte zu erreichen, sei eine Herausforderung. Nichtsdestotrotz soll «reformiert.GL» in Zukunft noch mehr Inhalte für diese Zielgruppe bieten, «im geschickten Zusammenspiel mit den Onlinekanälen», wie Göring ergänzt. Auch in anderen Kantonen besteht Interesse an den Kiki-Inhalten. Doris Brodbeck, Fachstellenleiterin Kommunikation der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Schaffhausen, bestätigt auf Anfrage, dass seit einiger Zeit eine lose Zusammenarbeit für einzelne kleinere Beiträge besteht und passende Möglichkeiten in nächster Zeit geprüft werden dürften. Im Schaffhauser Kirchenboten eigne sich dazu zum Beispiel das Familienfenster. Diesbezüglich sei die weitere Entwicklung aber noch offen. Fest steht für Fässler: «Das Thurgauer Modell könnte auch für andere kirchliche Magazine oder Internetauftritte zum Vorbild werden.»

Stefan Frey: «Beides hat seinen Reiz»

Stefan Frey malt «Kiki» für das gedruckte Magazin am Computer.
Stefan Frey malt «Kiki» für das gedruckte Magazin am Computer. (Bild: pd)

Der freischaffende Zürcher Grafiker und Illustrator Stefan Frey gestaltet seit August das Kindermagazin «Kiki» (Kind und Kirche). Er erklärt, warum eine solche Zeitschrift in seinen Augen immer noch ihre Berechtigung hat.

Herr Frey, was faszinierte Sie an der Neugestaltung des «Kiki»-Magazins?

Mich haben an der Neugestaltung des «Kiki»-Magazins verschiedene Dinge gereizt. Zum einen konnte ich einer bewährten und erfolgreichen Zeitschrift neues Leben einhauchen. Zum anderen hatte ich die einmalige Gelegenheit, das gesamte Magazin noch besser dem Alter der Leserinnen und Leser anzupassen. Am allermeisten gereizt hat mich jedoch der Umstand, dass es sich bei Kiki um eine Zeitschrift, die regelmässig erscheint. Bisher habe ich verschiedene Kinderbücher illustriert. Zum Beispiel für Andrew Bond oder Sämi Weber.

Was ist der Unterschied zwischen einem Magazin und einem Kinderbuch?

Bei den Kinderbüchern war der Autor jeweils mein einziger Ansprechpartner: Er hatte eine bestimmte Geschichte im Kopf, ich machte die Illustrationen dazu und gestaltete das Bilderbuch. Gemeinsam mit einem ganzen Team ein Magazin zu entwickeln und immer wieder neue Ausgaben fertigzustellen, ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Die Zusammenarbeit mit den vielen unterschiedlichen Menschen, die zum Gelingen von «Kiki» beitragen, macht unglaublich Spass.

Warum finden Sie, dass so ein Magazin in der heutigen Zeit für Kinder noch wertvoll sein kann, und warum engagieren Sie sich dafür?

Als Vater von vier Kindern habe ich gelernt, dass es neben den digitalen Medien auch etwas Handfestes braucht. Es ist ein ganz anderes Erlebnis, ob ich mit einem Fingertipp eine App öffne oder ein Programm starte. Oder ob ich durch den Schlitz im Briefkasten das neue Kiki liegen sehe und es erwartungsfroh aus dem Briefkasten nehme und darin blättern und Neues entdecken kann. Analoge Medien sind nicht besser oder schlechter als digitale Medien. Sie bieten meiner Meinung nach einfach mehr sinnliche Erlebnisse.

Was meinen Sie damit?

Man spürt das Papier zwischen den Fingern, riecht die Farbe und kann die einzelnen Seiten mit den Fingern umblättern. Dazu ist vielleicht sogar ein angefeuchteter Finger notwendig. Das sind wertvolle, sinnliche Erfahrungen – gerade in einer Zeit, in der sich immer weniger Menschen spüren. Ich will aber keine «heile» Welt erschaffen und alles Digitale ignorieren oder gar verteufeln. Ich mache meine Zeichnungen ja auch digital: Ich nehme die Farbe aus einem virtuellen Malkasten und male mit einem Stift auf ein digitales Zeichenbrett. Das hat den grossen Vorteil, dass ich die Illustrationen viel leichter ändern kann. Mir geht es um die Wechselwirkung von analog und digital. Beides hat seinen Reiz. Und beides hat seine Berechtigung. Aus diesem Grund hat «Kiki» ja auch eine Webseite.

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