News aus dem Thurgau
Ratgeber Glaubensfragen

Die Kunst der Vergebung

von Sabine Herold
min
16.03.2024
Leserfrage von H.L.: «Müssen wir wirklich anderen vergeben, auch denjenigen, die uns schlimme Wunden zugefügt haben? Ich fühle mich da unter Druck. Wäre es nicht besser, den Satz ‹Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern› aus dem Unservater-Gebet zu streichen? Pfarrerin Sabine Herold antwortet.
Pfarrerin Sabine Herold

Pfarrerin Sabine Herold

Unsere Kolumne zu Glaubensfragen. Haben Sie Fragen? Schreiben Sie Ihr Anliegen an die Redaktion, wir leiten es gerne weiter. redaktion@kirchenbote.ch

Liebe Frau L.

Vergebung gehört wohl zu den schwierigsten und herausforderndsten Lebensthemen. Immer wieder gibt es im zwischenmenschlichen Bereich Missverständnisse, Verletzungen, Konflikte und Krisen.

Und zugleich führt echte Vergebung in eine innere Freiheit und eröffnet neue Möglichkeiten. Doch es braucht Mut, auf das eigene Recht zu verzichten, den anderen Menschen und das, was er getan hat, loszulassen und ihm das Unrecht nicht mehr nachzutragen.

Jesus predigte und bezeugte in seinem Leben einen barmherzigen Gott, und er lebte diese Barmherzigkeit. Mit seinem Leben lud er die Menschen zu einem barmherzigen Lebensstil ein: Handle ebenso wie Gott! Wie Gott zu dir ist, so sei auch zu deinen Mitmenschen! Lebe nach dem Motto: Wie Gott mir, so ich dir!

Jesus verkündigte Gott als jemanden, der gerne vergibt – alles, womit wir an ihm, an anderen Menschen und an uns selbst schuldig werden. Und vielleicht fällt uns dies am schwersten: zu realisieren, dass jeder Mensch einen eigenen Anteil an Schuld hat – niemand ist «nur» Opfer.

Jesus hat zum Gespräch mit Gott eingeladen, auch zum Vergeben – darum beten wir bis heute diesen herausfordernden Satz: «Unser Vater im Himmel ... vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.» Was aber bedeutet Vergeben?

Vergeben heisst: Loslassen! Ich lasse los und überlasse die ganze Angelegenheit, die Verletzung mitsamt der Person, die mich verletzt hat, den Händen eines Grösseren – Gott! Ich delegiere die Sache und Person an Gott. Ich verzichte auf Vergeltung, denn Rache macht krank! Das ist Vergebungsfähigkeit.

Manchmal fällt Vergebung besonders schwer, wenn der verletzende Mitmensch keinerlei Einsicht zeigt. Zugleich bleibt man selbst gefangen im Festhalten und Nachtragen der Schuld und leidet. Darum ist Vergebung manchmal vor allem für sich selbst: «Vergeben heisst, eine gefangene Person befreien und dann entdecken, dass man selbst diese Person war ...»

Loslassen macht frei! Viel Freude beim Loslassen und Vergeben wünsche ich Ihnen.

Pfarrerin Sabine Herold

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