Exnovation – wie kann das gelingen?
Die Kirchenlandschaft ist um einen Begriff reicher: Im Zusammenhang mit Innovation ist seit einiger Zeit das Wort «Exnovation» aufgetaucht. Kirchenentwicklungs-Fachleute sind davon überzeugt, dass Exnovation – das «bewusste Beenden veralteter Praktiken» – Raum für Innovation und «mutige Transformationsschritte» schaffen kann.
Rita Famos: Nicht zwingend eine «Verarmung»
In ihrem Grusswort an der Verleihung des Zwinglipreises 2025 brachte es Pfarrerin Rita Famos, Ratspräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, auf den Punkt: Etwas beenden zu können, liege im Sinn und Geist der Reformation: «Auch Zwingli hat sich gelöst von den Traditionen der damaligen katholischen Kirche.» Sich von vertrauten Dingen zu lösen, sei nicht zwingend eine «Verarmung», sie könne auch zu einer «geistlichen Klärung» führen. So entstehe Raum für Neues.
Chance für Beteiligung von Laien und Freiwilligen
Exnovation kann indes nur gelingen, wenn Beteiligte und Betroffene in den Entwicklungsprozess einbezogen werden. Ein solcher Prozess will sorgsam durchdacht und begleitet sein, wie es auch in Johannes 12,24 treffend beschrieben wird: «Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt, wird es keine Frucht bringen, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.» Eine Chance dafür bietet sich, wenn beim Neuen die Möglichkeit geöffnet wird, dass Freiwillige und Laien mitarbeiten können. Ein gutes Beispiel dafür ist das St. Galler Projekt «SharingCommunity», das mit dem Zwinglipreis 2025 ausgezeichnet wurde. Laien werden ausgebildet, damit sie in Dreiergruppen einen Gottesdienst gestalten können. Sie übernehmen die Rollen der Liturgin, der Gastgeberin und des Wegbegleiters.
Das meinen Stefan Wohnlich und Paul Baumann:
Loslassen: erster Schritt nach vorn

Stefan Wohnlich, Organisationsberater, inOri GmbH, Eschlikon. (Bild: zVg)
«Exnovation gelingt, wenn sie nicht als Verlustgeschichte erzählt wird, sondern als geistlicher Lernweg. Der Abschied von Vertrautem beginnt mit einer ehrlichen Analyse: Wo dienen unsere Formen nicht mehr dem Auftrag, Menschen mit dem Evangelium in Berührung zu bringen? Entscheidend ist die Beteiligung der Betroffenen sowie transparente Kriterien, die erklären, warum etwas endet – und Raum für das Würdigen des Gewesenen, damit Übergänge nicht als Bruch erlebt werden.
Ein Alltagsbild: Viele nehmen sich vor, beim Kauf eines neuen Kleidungsstücks ein altes auszusortieren – und merken, wie schwer Loslassen fällt, selbst wenn die alten Klamotten kaum genutzt werden. Genauso halten Gemeinden an Angeboten fest, weil die vertraute Geschichte dahinter stärker ist als ihre aktuelle Wirkung.
Ein bewusst provozierendes Beispiel zeigt das Dilemma: Wir können den traditionellen Sonntagsgottesdienst nicht reduzieren oder gar streichen, solange wir die Geschichte erzählen, dass er 'das Zentrum der Gemeinde' sei. Erst neue Geschichten – darüber, wie heute Glauben Gestalt gewinnt und Gemeinschaft entsteht – öffnen Veränderungsräume und schaffen positive Energien. Exnovation braucht deshalb nicht nur mutige Entscheidungen, sondern das gemeinsame Erzählen neuer, tragfähiger Geschichten. So wird sie zum Aufbruch statt zum Abriss.»
Öffnet Blick für das, was trägt

Paul Baumann, selbstständiger Gemeindeentwickler, Wittenbach. (Bild: zVg)
«'Verkleinern tut weh. Doch gerade darin liegt die Chance. Vielleicht entsteht so mehr Wert als im ursprünglichen Plan', sagte die Architektin, als wir das Kirchgemeindehaus aus Kostengründen kürzer und schmaler planen mussten. Das sorgfältig erarbeitete Raumprogramm wurde komplett überarbeitet – ein schmerzlicher, aber klärender Prozess, der uns zwang, Wesentliches zu erkennen.
John Kimberly bezeichnete mit Exnovation schon 1981 das bewusste Verabschieden früherer Innovationen. Kirchen tun sich damit schwer und sehen oft nur Abbau und Verlust. Doch wer sich von überholten Formen trennt, kann Neues und Relevantes finden. Das kirchliche 'Kernprogramm' muss nicht für alle Zeiten gleichbleiben – weder die Bibel noch die Reformatoren verlangen das. Auch Gottesdienstformen, die vor Jahren neu entwickelt wurden, können wieder verblassen und weniger Menschen erreichen.
Reformierte gelten als formkonservativ; vor allem Gottesdienste oder Kirchenräume sollen bleiben wie früher. Doch Veränderungen oder wegfallende Stellenprozente können Impulse in die Zukunft sein. Das gemeinsame Neudenken schafft Freiraum, Mitwirkung, stärker gemeinschafts- oder projektorientierte Angebote statt rein regelmässige Programme. Bewusste Exnovation hinterfragt Selbstverständlichkeiten, stärkt den Mut zum Loslassen und öffnet den Blick neu für das, was wirklich trägt und Zukunft ermöglicht.»
Exnovation – wie kann das gelingen?