News aus dem Thurgau

Gemeinsam beten: Was ändert das?

von Ernst Ritzi
min
05.12.2025
Jeweils im Januar laden die Kirchen zu speziellen Gebetswochen ein. Das ist auch in diesem Jahr so. Was kann das gemeinsame Gebet in Zeiten verändern, die von Kriegen, Krisen und Katastrophen geprägt sind?

Die mit der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) verbundenen Kirchgemeinden laden zur traditionellen Allianzgebetswoche ein. Zum Thema «Gott ist treu» finden gemeinsame Gebetsanlässe statt.

Ebenso organisiert die Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen in der Schweiz (AGCK) die ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen. Die Liturgie zum Bibelwort «Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung» (Eph 4,4) ist dieses Jahr von den christlichen Kirchen in Armenien zusammengestellt worden.

In den Erwartungen und in der Haltung treffen sich die Trägerinnen der beiden Gebetswochen. Die SEA formuliert es so: «Hoffnungsvoll durchs Leben zu gehen, ist keine Leichtigkeit – erst recht nicht in Zeiten vieler Kriege, Krisen und Katastrophen. Es gibt viele Faktoren, welche die Hoffnung der Menschen beeinflussen. Einer davon ist ihr Glaube. Der christliche Glaube bietet viel Grund, hoffnungsvoll zu sein.»

Hoffungsvoll ist auch das Zeugnis, das die armenischen Kirchen in der von ihnen verfassten Liturgie zur Gebetswoche zur Einheit der Christen weitergeben. Im Begleittext der AGCK wird erwähnt, dass es für das armenische Volk nicht einfach war, an der christlichen «Berufung» festzuhalten: «Die reiche, vom Zeugnis vieler Märtyrer geprägte Geschichte der armenischen Kirche spricht Bände über ihre unerschütterlichen Bemühungen auch angesichts vieler Widerstände, den christlichen Glauben im Land Armenien und der umliegenden Region aufrechtzuerhalten.»

Die Redaktion des Kirchenboten hat eine Pfarrerin und einen Pfarrer gefragt, was sie vom gemeinsamen Gebet in den kommenden Gebetswochen der SEA und der AGCK erwarten.

Das meinen Esther Baumgartner und Michael Neracher:

 

Wertschätzend gemeinsam

Esther Baumgartner, Pfarrerin, Weinfelden. (Bild: zVg)


«Seit acht Jahren bin ich Pfarrerin in Weinfelden. Die monatlichen Gebetstreffen mit der Allianz (Pfarrpersonen der Gemeinden) erlebe ich als sehr wertvoll. Wir besprechen in diesen Treffen gemeinsame Anlässe und lassen einander Anteil haben an unserem Ergehen. Dazu gehören in Weinfelden, neben der Landeskirche die Viva Kirche, die Begegnung im Giessenpark und die Evangelisch-methodistische Kirche. Parallel dazu trifft sich auch die Jugendallianz. Besonders ist neben der Allianz auch das Format 'Fünf Kirchen Weinfelden' zu dem auch die katholische Kirche gehört. Der daraus entstandene Wega-Gottesdienst ist ein jährlicher Höhepunkt.

Die Allianzgebetswoche eröffnen wir mit einem gemeinsamen Gottesdienst. In der folgenden Woche besteht die Möglichkeit, den Gebetsraum Weinfelden zu nutzen und am Mittwochabend treffen wir uns für einen gemeinsamen Gebetsabend. Die Teilnehmenden können sich entschliessen, ob sie an einer Schriftmeditation, einem Gebetsspaziergang oder einem Worship teilnehmen. Wir sind als Gemeinden mit verschiedenen theologischen Schwerpunkten und Aufgaben unterwegs. Den Wert des gemeinsamen Betens sehe ich in der Ausrichtung auf die Mitte. Wer miteinander betet, ist meines Erachtens auch im Alltag wertschätzend unterwegs. Dass wir in Weinfelden in aller Vielfalt wohlwollend gemeinsam unterwegs sein können – auch als fünf Kirchen – schätze ich sehr, und die Allianztreffen sind für mich persönlich ermutigend.»

Warum Einheit in Gott wichtig ist

Pfarrer Michael Neracher, Schönholzerswilen. (Bild: zVg)


«Wenn ich älteren Menschen zuhöre, wie sie vom damaligen Konfessionsgraben in unseren Dörfern erzählen, staune ich, wie viel Energie einst in Unwesentliches und Trennendes floss. Der Pfarrer der einen Konfession soll die Kinder der anderen nicht gegrüsst haben. Und in einem Dorf war es einst ein grosses Thema, dass ein Schulleiter mit der 'falschen' Konfession gewählt wurde. Dass wir heute – gerade in diesen Dörfern – in ökumenischer Verbundenheit beten und Gottesdienste feiern, ist ein starkes und hoffnungsvolles Zeichen.

Jesus betete für seine Nachfolger, 'damit sie eins sind wie wir' (Joh 17,11). Gott ist ein Gott der Einheit: Ein Gott in drei Personen, die verschieden in Aufgaben und Beziehungsschwerpunkten sind, aber eins im Wesen, Willen und Ziel. Wo Menschen sich mit Gott verbinden, treten Differenzen hinter der gemeinsamen Christusnachfolge zurück. Nur so kann ich mir erklären, wie Jesus es vermochte, zwölf Jünger um sich zu sammeln, die kaum unterschiedlicher hätten sein können. Wir müssen nicht in allem übereinstimmen. Doch wenn wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und die rettende Botschaft von Jesus Christus im Zentrum steht, wird Ökumene möglich, ohne Unterschiede wegzudiskutieren.

Gerade in einer Welt, die mir zerbrochener scheint als je zuvor, ist Einheit im Gebet von besonderer Bedeutung. Denn gemeinsames Gebet hat Kraft. Es ist die Basis, dass Gott sich erbarmt und mächtig handelt.»

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