Halloween – was ist vom Gruselspass zu halten?
Halloween und das Totengedenken an Allerheiligen haben – historisch – mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Der Ursprung von Halloween liegt bei den Kelten. In Irland wurde am 31. Oktober der Jahreswechsel gefeiert, am 1. November begann das neue Jahr. An diesem Samhain-Fest wanderten nach keltischen Vorstellungen die Geister derjenigen, die während des Jahres gestorben waren, ins Totenreich. Von daher stammt auch der Name «Abend der Heiligen» («all hallows eve»).
Um die Toten zu verpflegen und gleichzeitig davon abzuhalten, die Lebenden heimzusuchen, stellte man ihnen Speisen vor die Tür. Die Druiden entzündeten Feuer, die helfen sollten, einerseits die guten Seelen ins Totenreich zu geleiten und andererseits böse Geister zu vertreiben, die in dieser Nacht die Sterbenden des folgenden Jahres auswählen würden. Halloween war die Nacht, in der alle Wesen – Geister, Feen und Dämonen – unterwegs waren.
Seit dem Jahr 835 mit Allerheiligen verbunden
Papst Gregor IV. wollte das keltische Fest in die christliche Tradition integrieren. Aufgrund des Grundgedankens der Totenverehrung bot sich eine Verschmelzung mit Allerheiligen an. Gregor IV. verlegte das christliche Allerheiligen-Fest um 835 auf den 1. November. Die mit dem Fest verbundenen keltischen Bräuche blieben erhalten.
In den USA säkularisiert und kommerzialisiert
Irische Auswanderer nahmen ihre Version des Allerheiligen-Festes mit in die USA, wo es eine Umdeutung erfuhr. Säkularisiert, blieb vom Totengedenken nichts übrig. Halloween ist ein Kinder-Verkleidungs-Fest geworden und ein Anlass für ausgelassene Partys. Die Wirtschaft lebt gut davon und entdeckte in den 1990er Jahren den europäischen Markt. Seither fliesst viel Geld in diverse Halloween-Feste, Utensilien und Verkleidungen. Zwei Mitglieder der Redaktionskommission des Thurgauer Kirchenboten formulieren, wie sie mit den «Geistern» von Halloween umgehen.
Das meinen Christian Stahmann und Meike Ditthardt:
Kassenschlager, Magie und Geister
Christian Stahmann, Pfarrer in Scherzingen-Bottighofen. (Bild: zVg)
«Allenfalls mag den Babyboomern der 'Grosse Kürbis' von Charles M. Schultz vertraut sein, auf den Linus vergeblich hofft – sozusagen 'Warten auf Godot'. Es waren wohl die Kinder, die uns pädagogisch liebevoll vermittelten, was es mit 'Trick or Treat' oder 'Süsses oder Saures' auf sich hat. Und so zogen manche Eltern mit den Jüngsten in der Dunkelheit des 31. Oktobers um die Häuser, klingelten und hofften in gruseliger Verkleidung auf etwas für die Naschkatzen.
Es ist schon mehr als interessant, dass Menschen mit aufgeklärtem, kirchenkritischem Bewusstsein überhaupt keine Bedenken hegen, ein altes irisches Fest mit römisch-katholischen Wurzeln in ein globales Happening zu verwandeln, bei dem die Kassen klingeln.
Der Soziologe Max Weber untersuchte, warum in überwiegend protestantischen Regionen der Kapitalismus boomte. Seine Erklärung: Das calvinistische Arbeitsethos sei die Triebfeder der Industriellen in Europa und vor allem in den USA. Nur dass die modernen Firmeninhaber im Unterschied zum 16. Jahrhundert gänzlich ohne Gott auskämen.
Das ökonomische Handeln im Takt der Maschinen ersetzt Religion. Halloween dürfte also soziologisch gar nicht vorkommen, weil Maschinen und Geld die Magie ersetzt haben. Doch so ganz ohne Magie und Geister will der Mensch nicht leben. Also wird ein neues Fest erfunden, das an die Stelle von Reformationstag oder Allerheiligen tritt und den trüben Herbst versüsst.»
Reformationstag in Erinnerung rufen
Meike Ditthardt, Theologin, Lehrerin, Lengwil. (Bild: zVg)
«Wenn man in die Schülerrunde fragt, was am 31. Oktober gefeiert wird, erhält man nur eine Antwort: Halloween! Dieses Datum ist heute fest mit dem schaurig-gruseligen Fest verbunden.
Kaum jemand weiss, dass an diesem Tag die evangelische Kirche Geburtstag hat! Denn Martin Luther hatte 1517 mit seinen 95 Thesen den Reformationsprozess ausgelöst, der mit Zwingli und Calvin einen grossen Einfluss auf die Schweizer Kirchengeschichte nahm und zur Entstehung der evangelischen Kirche führte.
Pfarrer Hannes Bauer aus Friedrichshafen bringt es auf den Punkt: 'Wenn der Reformationstag nicht im Vordergrund steht, dann würde ich das mal als Pflicht von uns Protestanten sehen, das in den Vordergrund zu rücken.' Wie kann das geschehen? Etwa mit dem Kinder-Hörspiel 'Der Schlunz. Süsser Schrecken – saurer Schrecken', das Halloween und Reformation in anschaulicher Weise aufgreift.
Manche Kirchen öffnen ihre Türen an Halloween, um Lichterfeste zu feiern und Hoffnung zu verbreiten. Vor Jahren kamen 'Luther- Bonbons' auf den Markt, die beim Lutschen die Frage aufwarfen, wer denn dieser Luther sei. Vielleicht sollten wir «Calvin- Bonbons» oder 'Zwingli-Hüppen' in der Schweiz verteilen – und den klingelnden Gruselgestalten an der Tür erzählen, wer dieser Calvin und Zwingli waren, und sie fragen, welche Kirchenreform sie sich heute wünschen. Wie der Schweizer Theologe Karl Barth schon sagte: Die Kirche muss immer wieder erneuert werden.»
Halloween – was ist vom Gruselspass zu halten?