News aus dem Thurgau

Hoffnung auf mehr

von Lars Heynen
min
24.10.2024
Irgendwann im Leben stellt sich unausweichlich die Frage nach dem «memento mori», dem Gedenken an die eigene Sterblichkeit. Am Ende des Kirchenjahrs erinnern viele Kirchgemeinden ihrer Verstorbenen. Die Kirche gehört zu den wenigen Orten, wo noch daran erinnert wird, dass der Tod immer um uns ist.

Umgeben von einer weitläufigen Friedhofsanlage erhebt sich die paritätische Kirche in Frauenfeld Oberkirch über der Thurebene. Erstmals erwähnt wurde das Gotteshaus bereits am Ende des 9. Jahrhunderts. Obwohl es im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde, atmet es den Geist der Generationen von Menschen, die sich in Freud und Leid hier versammelt haben.

Orte der Trauer
Heidi Hefti hat einen persönlichen Bezug zur «Friedhofskirche» und ihrer Umgebung. Ihre Eltern und Schwiegereltern sind hier beigesetzt worden. In der Kommission Alter und Gesellschaft setzt sie sich unter anderem dafür ein, dass für Kinder, die nicht lebend das Licht der Welt erblickten, sogenannte «Sternenkinder», ein Grabfeld auf dem Friedhof ausgewiesen wird. Heidi Hefti hat über Jahre bei der Spitex gearbeitet und Menschen in der letzten Phase ihres Lebens begleitet. Dadurch ist sie zugleich deren Angehörigen begegnet. Der Tod ist oft durch Gedanken und Gespräche präsent – mitten im Leben dieser Menschen.

Heidi Hefti weiss: «Man muss Gelegenheit geben, Abschied nehmen zu können.» Eine Erinnerung reicht weit zurück: Als ihre Grossmutter starb, deren Tod plötzlich kam, war die Anteilnahme gross. Die ganze Familie und das ganze Dorf nahmen am Trauergottesdienst teil. Es war eine Hilfe, dadurch zu erfahren, dass man nicht allein ist. Heidi Hefti erinnert sich, wie ihre Mutter anschliessend an die Abschiedsfeier zu ihr sagte: «Jetzt sind alle da gewesen.» Das hat die Familie durch die schwere Zeit getragen.

 

Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)
Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)
Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)
Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)
Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)
Kirche Oberkirch, Frauenfeld. (Bild: Lars Heynen)

 

Schwieriger Trend
Ein Abschied im engsten Kreis, wie er heute oft begangen wird, hätte für die Familie von Heidi Hefti nicht gestimmt. Ein öffentlicher Abschied gibt auch Nachbarinnen und Freunden, weiter entfernten Verwandten und Bekannten die Möglichkeit, den Tod zu verarbeiten, sich mit anderen zu erinnern und zu trauern. Heidi Hefti erlebte die frühen Beobachtungen von Elisabeth Kübler- Ross über die Phasen, die Menschen typischerweise durchlaufen, als hilfreich für ihre Arbeit im Umgang mit sterbenden Menschen.

Auch die Trauer hat ihre Phasen, man spricht von Trauerarbeit, deren gesellschaftliche Relevanz bedeutsam ist. Fehlgeleitete oder verhinderte Trauer ist eine der häufigsten Ursachen psychosomatischer und psychosozialer Störungen. Die Art unserer Trauerkultur führt psychologischen Untersuchungen zufolge zu Trauerprozessen, die wesentlich länger andauern als dies früher der Fall war. Gelungene Trauerarbeit, zu der die Möglichkeit des Abschieds elementar dazu gehört, ruft den Mut hervor, sich dem Leben wieder zuzuwenden. Zugleich erfährt der «engste Kreis» im öffentlichen Abschied Hilfe durch die Gewissheit: «Ich bin nicht allein mit meiner Trauer.» Der erste Kontakt zu direkten Angehörigen ist bei einer öffentlichen Abdankung leichter, als wenn es sie nicht gäbe. Beobachtungen zufolge werden die engen Angehörigen von Verstorbenen in der ersten Zeit häufig gemieden.

 


Per Klick die Kirche Oberkirche in Frauenfeld in 360 Grad erkunden.

 

Die christliche Hoffnung
Auch bei einer Trauerfeier für einen kurz nach seiner Pensionierung verstorbenen Bekannten schätzte Heidi Hefti, dass ein öffentlicher Abschied möglich war. Der freie Trauerredner machte seine Arbeit «sehr gut». Trotzdem fehlte etwas: Von Zukunft war keine Rede, die Hoffnung, die der christlichen Trauerfeier innewohnt, fehlte. Ohne Hoffnung auf die Rettung des Lebens bei Gott bleibt es bei dem, was man menschlicherseits sagen kann: Dass tot ist, wer gestorben ist. Der grosse Zusammenhang und wunderbare Bogen, dass Gott, der das Leben schuf, seine Geschöpfe im Leben und Sterben bei sich birgt, ist nicht mehr ohne weiteres geläufig. Doch ebendiese Hoffnung wird bei der christlichen Trauerfeier ausgesprochen, auch gegen menschliches Verstehen, und Trauernde werden in dieses Versprechen hineingetaucht.

 

Neue Welt-Zeit

Leandro Gehrig (12) aus Niederbüren hat mit seiner Zeichnung zum Thema «Auferstehung» am Malwettbewerb mitgemacht und gewonnen.

Eines der schönsten Bilder vom Leben, das den Tod nicht mehr kennt, überliefert die Offenbarung des Johannes im 21. Kapitel, wo Gott in der Mitte der Menschen wohnt: «Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.»

Ewiges Leben bedeutet eine neue Zeit und eine neue Welt, in der die Tränen abgewischt sind; es ist keine simple Fortsetzung des Hier und Jetzt. Gott, der im Anfang alles Leben erschuf, gibt niemanden verloren. Er hat Zeit, die nicht in unserer Agenda steht und Leben, das Menschen durch Jesu Wort und die Taufe zugesprochen ist. In diesem Zuspruch hören sie die Sprache des Trostes, die die Würde eines jeden Menschen damit begründet, dass Gott sich seiner annimmt.

 

 

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