Hoffnung statt Exodus in Syrien
Das hat tragische Folgen für den Friedensprozess im Nahen Osten. Auf Einladung des Hilfswerks «Kirche in Not (ACN)» predigt das ehemalige Kirchenoberhaupt an 20 Orten der Schweiz.
Am Sonntag, 10. August 2025 empfing Domherr Felix Büchi hohen Besuch im St. Galler Dom: Den emeritierten Patriarchen Gregorios III. Laham, der gleich schon mit seinen ersten Worten berührte: «Ich grüsse Sie aus der Mutter aller Kirchen, wo Christus geboren ist.» Das frühere Oberhaupt der melkitischen griechisch-katholischen Kirche von Antiochien, Alexandrien und Jerusalem erinnerte daran, dass der Nahe Osten – mit Syrien, Libanon, Palästina, Israel, Jordanien und Ägypten – die Wiege des Christentums sei. Besonders Antiochien an der syrisch-türkischen Grenze, wo die Jünger Jesu erstmals Christen genannt wurden, sei seit 2000 Jahren die Heimat einer alten, lebendigen Kirche.
Alarmierende Abwanderung
Mit grosser Sorge sprach Gregorios aber über die dramatische Abwanderung der Christen, deren Anteil von zehn auf zwei Prozent der Bevölkerung geschrumpft sei: «In manchen Dörfern leben heute bloss noch 3’000 von 7’000 Christen, andernorts nur 1’000 – und meist nur noch die Alten, die Jungen sind weg.»
Er berichtete von Aufständen, Armut, Arbeitslosigkeit und der Frage vieler, ob ihr Land ein islamischer Staat werde. Seit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 und der Machtübernahme durch die Oppositionsmiliz HTS hat sich die Lage der Christen in Syrien weiter verschärft. Früher war die christliche Minderheit respektiert, aber jetzt herrscht Chaos und Unsicherheit. Trotz versprochener Religionsfreiheit nimmt die Gewalt gegen Christen und christliche Einrichtungen zu: Zuletzt wurden am 22. Juni 2025 bei einem Anschlag auf die Mar-Elias-Kirche in Damaskus 30 Menschen getötet und 50 weitere verletzt, im Süden Syriens brannten Kirchen und Wohnhäuser nieder. 38 Familien verloren all ihr Hab und Gut.
Brücken statt Mauern
«Es ist wichtig, dass die Christen im Heiligen Land und in Syrien präsent bleiben für den Dialog und Frieden zwischen den Religionen», betonte Gregorios. «Wir wollen niemanden bekehren, sondern Brücken bauen zwischen Menschen, Religionen und Kulturen», sagte er mit kraftvoller Stimme. Die christlichen Schulen, sozialen Einrichtungen und Feierlichkeiten seien ofen für alle, auch Muslime. «Unsere einzige Mission ist unsere Präsenz für mehr Liebe und Frieden – die wichtigste Basis für eine stabile Wirtschaft, vor der niemand mehr flüchten muss», so Gregorios. Dazu schilderte er eindrückliche Beispiele von starker Solidarität zwischen Christen und Muslimen, die trotz zerstörter Häuser nicht aufgeben: Sie leben in Zelten und warten darauf, in ihre geliebte Heimat zurückkehren zu können.
Für den Glauben leben, nicht nur sterben
«Wir verlieren nicht die Hofnung und wollen für unseren Glauben leben, nicht nur dafür sterben», betonte Gregorios. Eine Botschaft, die die Ethik-Doktorandin Rebecca Tillery mitten ins Herz traf: «Das hat mich tief beeindruckt, denn ich wusste vorher nicht viel von der Not der syrischen Christen.» Auch die junge Teilnehmerin Lena war bewegt: «Die Situation ist erschütternd, dennoch halten sie zusammen und stehen fest in ihrem Glauben.» Die Worte des Syrers seien ein Weckruf gewesen: «Hier im Wohlstand haben wir keine Ahnung, wie es ist, seine Existenz zu verlieren – wir müssen dringend mehr für die Christen im Heiligen Land tun.»
Appell für ein bleibendes Zeugnis
«Ich fühle mich geehrt, so hohen Besuch aus dem Heiligen Land zu bekommen – das ist etwas ganz Besonderes», freute sich Domherr Felix Büchi. Der Patriarch Gregorios bringe nicht nur eine jahrtausendealte Tradition mit, sondern auch die lebendige Erfahrung einer Kirche, die unter schwierigsten Bedingungen im Glauben ausharrt. «Dank solcher Begegnungen spüren die Gläubigen hier konkret, dass sie als Teil der Weltkirche mit allen verbunden sind – im Gegenzug dürfen auch wir die Christen im Nahen Osten nicht vergessen», so Büchi. Dieses Zeugnis sei ein Weckruf, den Glaube nicht nur im Komfort zu leben, sondern auch im Einsatz für andere.
Um Perspektiven zu schafen und den Exodus der Christen zu verhindern, fördert «Kirche in Not (ACN)» in Syrien unter anderem den Wiederaufbau zerstörter Kirchen, Schulen und Häuser, leistet Lebensmittel- und Medikamentenhilfe und finanziert Ausbildungsprogramme für junge Menschen. 2024 stellte «Kirche in Not (ACN)» weltweit rund 4,7 Millionen Franken für über 100 Projekte in Syrien bereit.
20 Stationen in der Schweiz
Patriarch em. Gregorios predigt und informiert zwischen dem 8. und 24. August 2025 in 20 Gottesdiensten über die Notlage der Christen in Syrien. In der Ostschweiz besuchte er neben der St. Gallen auch Amriswil, Rehetobel und Eggersriet.
Alle Daten und Orte sind hier im Überblick.
Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)»
Kirche in Not (ACN) ist ein internationales katholisches Hilfswerk päpstlichen Rechts. Es wurde 1947 als «Ostpriesterhilfe» gegründet und unterstützt bedrängte Christen in etwa 130 Ländern durch Seelsorgeprojekte, Aufklärung und Gebet. Die Organisation wird von der Schweizer Bischofskonferenz für Spenden empfohlen und finanziert sich ausschliesslich durch private Beiträge.
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