News aus dem Thurgau

Ittinger Sturm 1524: brandgefährliche Aktion

von Claudia Koch
min
04.04.2024
Das muss man sich mal vorstellen: 3000 wütende Bauern und Bürger stürmen vor 500 Jahren die Kartause Ittingen. Was war geschehen?

Um die Gründe für den Ittinger Sturm zu verstehen, muss man einen Blick in das frühe 16. Jahrhundert werfen. Ein Grund war die sozial-politische Situation der Bauern, die unter der Feudalherrschaft der eidgenössischen Landvögte litten. Ein anderer, ebenso gewichtiger Grund war der religiöse Umbruch durch die Reformation.

Reformatorische Unruhen

Die Predigten und Schriften des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli schwappten auch ins Zürcher Weinland und in den heutigen Thurgau über. Besonders Pfarrer Johannes Öchsli, Leutpriester in Burg bei Stein am Rhein, sympathisierte mit Zwingli, den er von Einsiedeln her kannte. Doch auch in Stammheim und Nussbaumen fielen die reformatorischen Neuerungen auf fruchtbaren Boden.

Gerade in Stammheim wuchs die Unzufriedenheit mit dem von St. Gallen eingesetzten Pfarrer Adam Moser. Die Heiligenverehrung in der St. Annakapelle war vielen ein Dorn im Auge. Nach einer erfolglosen Beschwerde in Zürich setzten die Stammer am 1. Mai 1524 Pfarrer Moser ab und die einheimischen Brüder Johannes und Adrian Wirth, Söhne des Untervogts Hans Wirth, als erste reformierte Pfarrer ein.

Das Fass lief über

Daraufhin kam es in einigen Orten zum Bildersturm: Kirchen und Kapellen wurden entrümpelt, Kruzifixe und Altäre verbrannt. Diese Taten stiessen beim katholischen Schwyzer Landvogt Josef Amberg im Schloss Frauenfeld auf grossen Unmut. In der Nacht vom 17. Juli 1524 liess er Pfarrer Öchsli verhaften und in Frauenfeld einkerkern. Das brachte das Fass für die Bauern und Bürger zum Überlaufen und sie stürmten unter Glockengeläut mit den Stammern Richtung Frauenfeld, um den Pfarrer zu befreien.

An der Thur – damals ohne Brücke – scheiterten sie mit ihrem Vorhaben. Sie zogen durstig und hungrig zur Kartause Ittingen, wo sie eineinhalb Tage ihrer Wut über die misslungene Befreiung und dem Groll gegen das klösterliche Leben freien Lauf liessen. Am Schluss blieb eine Brandruine zurück, deren Wiederaufbau Jahrzehnte dauerte. Pfarrer Öchsli wurde freigelassen. Die angeblichen Rädelsführer aus Stammheim, Hans und Johannes Wirth, sowie Burkhart Rüttimann aus Nussbaumen wurden in Baden gefoltert und hingerichtet.

Das geschah 1524

Der wutentbrannte Mob fackelte die Kartause Ittingen ab, soff den Weinkeller leer und demütigte die Mönche, die entkleidet und davongejagt wurden.

Unsere Empfehlungen

Sie lässt sich nicht abschrecken

Sie lässt sich nicht abschrecken

Schon mit 16 Jahren mitbestimmen: Was politisch vielerorts einen schweren Stand hat, ist in den Thurgauer Kirchgemeinden seit 2002 Realität. Wie erlebt die 16-jährige Valentina Steffen aus Erlen ihre erste Versammlung?
Durchbruch schafft offene Türen

Durchbruch schafft offene Türen

Innovative Kirche: Für das «Café Chiläwiesä» hat die Evangelischen Kirchgemeinde Münchwilen-Eschlikon extra eine Wand durchbrochen. Es hat sich gelohnt.
Listige Wäldener feiern ihre Kirche

Listige Wäldener feiern ihre Kirche

Als die evangelischen Wäldener vor 300 Jahren ihre eigene Kirche wollten, machten sie Nägel mit Köpfen. So gelang es ihnen, die herrschenden Zürcher zu überrumpeln.