News aus dem Thurgau

Krass auf die Probe gestellt

von Lars Heynen
min
26.07.2025
Abraham ist einer der Erzväter im Alten Testament. In den drei monotheistischen Weltreligionen gilt er als «Vater des Glaubens». Sein Glaube wird jedoch in abgründiger Weise auf die Probe gestellt, als er seinen Sohn töten und als Opfer darbringen soll.

Schleppend und quälend langsam wird sie erzählt: die Wanderung von Abraham und seinem Sohn Isaak in das Gebirge im Land Morija. Es wird kaum gesprochen auf dem Weg. Die finstere Stimmung ist sprichwörtlich mit Händen greifbar und die Qual nachempfindbar.

Das Wort der Verheissung

Dabei hatte alles so wunderbar begonnen. «Isaak», das heisst: Sie hat gelacht. Der Name ist eine Erinnerung an Sara, seine Mutter, die nicht glauben konnte, dass sie im hohen Alter ein Kind bekommen sollte. Er erinnert zugleich an Gott, der dieses Lachen gestiftet hat, denn es war ein Wunder und die Erfüllung einer Verheissung, dass Sara diesen Jungen gebar. Isaak ist Zeichen der Verheissung, die Gott Abraham gegeben hat, als er ihm sagte: «Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? […] So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!» (1 Mose 15,5) In der Zwischenzeit ist Isaak gross geworden. Wie alt er ist, wissen wir nicht, aber er ist in der Lage, das Holz zu tragen, das Abraham ihm auf die Schultern lädt. Das Messer, das er zur Opferung braucht, sowie Feuer trug Abraham selbst, vielleicht auch, damit Isaak sich nicht verletzt.

 

+++ Verdacht auf geplantes Tötungsdelikt +++

In den Morgenstunden soll es in den Hügeln der Gegend von Morija zu einem potenziell lebensbedrohlichen Vorfall gekommen sein. Wie Zeugen berichteten, soll der Verdächtige, der als Abraham aus Ur in Chaldäa, wohnhaft in Beer Scheba, identifiziert wurde, im Gebirge unterwegs gewesen sein – zusammen mit seinem Sohn und zwei Begleitpersonen. Die Begleiter zurücklassend, zog er mit seinem Sohn Isaak und einem Stapel Brennholz weiter ins Gelände, um dort eine Opferhandlung auszuführen. Die Ermittlungen ergaben, dass Abraham beabsichtigte, seinen Sohn mittels eines mitgeführten Messers zu töten und dann als Brandopfer darzubringen. Buchstäblich in letzter Sekunde folgte Abraham der Aufforderung eines Engels, von der Tat abzusehen. Ein Schafbock, der sich ganz in der Nähe im Dickicht verfangen hatte, wurde stattdessen geopfert.

Bibeltext zum Nachlesen (1 Mose 22).

 

Auf die Probe gestellt

Abraham liebt seinen Sohn und kann die unfassbare Forderung, ihn zu opfern, nicht verstehen. Nachdem er vor langer Zeit auf Gottes Wort hin seine Heimat verlassen und damit seine Vergangenheit hinter sich gelassen hat, steht nun die verheissene Zukunft auf dem Spiel. Es wird hier eine Seite von Gott thematisiert, die etwa Martin Luther als «verborgen» bezeichnet hat. Sie erschliesst sich menschlichem Begriffsvermögen nicht. Wo gläubige Menschen Gott als verborgen erleben, bringt diese Erfahrung nicht selten zum Verstummen. Isaak unterbricht das Schweigen mit der Frage nach dem Opfer und bekommt eine kurze Antwort, die ihn, der offenbar merkt, das etwas nicht stimmt, schonen soll. Zugleich enthält die Antwort Abrahams eine Wahrheit, die beide später erst in Gänze erkennen werden: «Gott wird dafür sorgen, mein Sohn», sagt der Vater. Denen, die die Geschichte in der Bibel lesen, wird gleich zu Anfang vermittelt, dass es sich bei der Aufforderung Gottes um eine Prüfung handelt. Für Abraham jedoch ist jede kleine Bewegung, die in der Geschichte festgehalten wird, bitterer Ernst: Den Altar bauen, Holz schichten, Isaak binden und darauflegen, die Hand mit dem Messer ausstrecken.

Auf dem Höhepunkt des Spannungsbogens ruft ein Engel Jahwes: «Abraham, Abraham.» Die Dringlichkeit des Rufs markiert den Wendepunkt der Erzählung. Zweimal wird Abraham in seinem Tun Einhalt geboten: «Lege nicht Hand an ihn», und: «Tue ihm nichts an.» Theologisch ist dies ein Hinweis darauf, dass Gott das Leben Isaaks von Anfang an erhalten wollte.

Ambivalenz des Menschen

Abraham besteht die Prüfung, der er ausgesetzt wurde, und hört die Erneuerung der Verheissung, weil er Gottes Stimme gehorcht hat. Wie so vieles in dieser Geschichte ist auch der Schluss nicht eindeutig: Welche Stimme ist gemeint? Ist es die Stimme, die den Befehl zur Opferung gibt? Oder ist es die Stimme des Engels, durch den Gott seinen Sohn rettet? Das Leben ist ambivalent, Leben und Tod liegen oft nur eine Handbreite auseinander. Manchmal ist es dieselbe Stimme, die einmal als tötender Buchstabe daherkommt und dann wiederum als lebensschaffender Geist. Menschen sind fähig, einerseits die eigenen Kinder durch verantwortungsloses Handeln zu gefährden und gar zu töten, andererseits das Leben zu lieben und sich hingebungsvoll den eigenen Kindern zu widmen.

Abraham ist «Vater des Glaubens». In der Prüfung erlebte er, wie widersprüchlich, unerklärlich das Leben und Gott selbst sein können. Gerade dann gilt es, auf Gottes Treue zu bauen und der Stimme zu trauen, die dem Leben dient.

 

«Lernort» Tatort

Der Gott Abrahams will keine Menschenopfer. Das war eine Lesart dieser Geschichte, im Wissen, dass im kanaanitischen Umfeld Israels tatsächlich Menschenopfer dargebracht wurden. Wer die Erzählung liest, wird jedoch eingeweiht, dass es sich um eine Prüfung handelt, Gott also kein Menschenopfer begehrt. Die Pointe liegt wohl im Grund der Prüfung: Isaak ist Kind der Verheissung. Kann Abraham der Verheissung mehr vertrauen als der Anfechtung, die die Prüfung an ihn stellt? Und: Gelingt es uns, in den Tiefen des Lebens der Verheissung zu trauen?

 

 

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