Mein Garten als Freudenquelle
Am Anfang waren die Pflanzen: Luzia Steiners erster Mini-Paradiesgarten war ein Quadratmeter klein und mit Monatserdbeeren bepflanzt. Da war sie sechs Jahre alt. Sie probierte eine Erdbeere, fand sie zu wenig süss und wartete. Der Schmerz war gross, als ihr Bruder alle Früchtchen klaute.
«Feinde» im Paradies
Jetzt versuchen manchmal Himbeerblütenstecher oder Schnecken die Ernte zu stehlen. Es gibt Gegenstrategien: Ihr Mann sammelt die Käfer Ende Mai und Anfang Juni von den Blüten ab; sie pflanzt vorwiegend Blumen, die Schnecken meiden, oder schützt die Pflänzchen mit Schneckenkragen. Luzia Steiner hat ein Merkblatt «99 Blumen, die mit Schnecken gedeihen» herausgegeben.
Das Garten-Gen, vermutet sie, stamme vom Grossvater, einem Bauern. Mit 14 behändigte sie die Pikierschale ihrer Mutter und zog Setzlinge auf: «Es wurden tipptoppe Setzlinge», erinnert sie sich. Mit 16 baute sie einen «heissen Kasten» mit Rossmist, trockenen Blättern und Erde. Die Gärung bewirkt eine Fussbodenheizung für junge Pflanzen im Winter. Während ihre Kolleginnen in die Disco gingen, sammelte sie Pferdeäpfel – und forderte damit den Spott ihres Vaters heraus.
Das Klima austricksen
Im Kampf gegen das raue Ostschweizer Klima bastelte sie ein Tomatenhaus; sie verschlang Gartenbücher, pflanzte Zucchetti auf Kompost und besuchte, als sie ihren eigenen Garten hatte, Gartenbaukurse beim Gründungsmitglied von Bioterra St.Gallen, Marta Hohermuth. Heute gibt sie selber ihr Biogarten-Wissen an Kursen weiter. Über 1250 Personen haben ihre Gartenbaukurse schon besucht.
Ehrfurcht vor der Schöpfung bedingt sanftes Gärtnern: Düngen mit Kompost, robuste Pflanzen am richtigen Standort, giftfreier Pflanzenschutz. Pflanzen sind keine Wegwerfware. Darum hat sie eine Pflanzentauschbörse, jeweils Mitte Oktober, ins Leben gerufen. «Wuchert eine robuste Pflanze, sticht man sie aus und bringt sie an die Börse. Sie gedeiht in einem andern Garten weiter.» Das tut sie beispielsweise mit ihren vermehrungsfreudigen, wunderbar duftenden Nachtviolen: «Fast jeder Kursteilnehmer hat eine Pflanze oder Samen erhalten.
Samenwunder
Zusammenhänge erkennen, herausfinden, welche Pflanzen sich mögen, den Pflanzen gerecht werden, erleben, was aus einem winzigen Samen wird – das ist Luzia Steiner wichtig. Sie kocht fast das ganze Jahr Gemüse aus dem eigenen Garten – im Winter erntet sie Lauch, Rosenkohl, Topinambur und Zuckerhut, im Vorfrühling paradiesische Wildkräuter für Salate, Suppen und Gemüse, «die dem Körper gut tun».
«Ich finde meine Kraft in der Zusammenarbeit mit der Natur. Mein Garten ist ein absolutes Geschenk.»
Ihr Garten ist ein Paradies für Tiere: Im Kies blühen Wegwarten, die der Distelfink liebt; Amseln, Meisen, Finken tummeln sich in Bäumen und Brombeerhecken. «Jedes Jahr entdecke ich neue Insekten», freut sie sich. Sie werden fotografiert und nach Fachbüchern bestimmt. Luzia Steiner züchtet Schwalbenschwänze, den grössten heimischen Schmetterling, der auf der roten Liste steht. Sie pflanzt Teefenchel, Dill, Weinraute und Karotten, mit denen sie die Raupen füttert.
Freudenquelle
Nach der Gartenarbeit sei sie gestärkt und geistig erholt, sagt Luzia Steiner: «Man kommt anders herein, als man hinausgegangen ist.» Sie gehört zu den Menschen, die längst gespürt haben, dass man ohne Pflanzen nicht leben kann: Pflanzen produzieren Sauerstoff, die Grundlage jeglichen Lebens. Sie sind Nahrung für Tier und Mensch – sie «bewegen» sich auch. Luzia Steiner rät, eine Mimose mit sekundenschneller Reaktion zu beobachten. «Der Garten ist eine Freudenquelle. Freude kann man nirgends kaufen», sagt sie. Ihre Himbeeren nennt sie liebevoll «Rubinchen».
Geben müssen Menschen dem Gartenparadies ihre Zeit, Sorge für die anvertrauten Lebewesen, Wasser, Dünger, Schutz: Das ist nichts, verglichen mit dem, was zurückkommt: «Ich finde meine Kraft in der Zusammenarbeit mit der Natur. Mein Garten ist ein absolutes Geschenk», sagt Luzia Steiner. Ihre Neugierde ist grenzenlos: «Ich schaue über jeden Gartenzaun.»
Die vierteiligen Gartenbaukurse finden jedes Jahr im März statt – bei genügend Interessenten auch im Lauf des Jahrs. Kursort: Botanischer Garten St.Gallen
Anmeldung / Informationen: Bioterra, Luzia Steiner,
Kamorstrasse 8, 9030 Abtwil; Tel. 071 311 29 11
E-Mail: st.gallen@bioterra.ch
Text: Margrith Widmer | Foto: as – Kirchenbote SG, April 2016
Mein Garten als Freudenquelle