News aus dem Thurgau

Positive «Narrative»: Woher nehmen?

von Ernst Ritzi
min
18.04.2025
Tag für Tag hören wir, dass unsere Zukunft durch Kriege und durch die weltweite Klimaerwärmung bedroht ist. Was können wir den düsteren Zukunftsaussichten entgegenhalten? Welche Geschichten – «Narrative» – können Hoffnung stiften?

Unsere Gesellschaft steht angesichts von Meinungs- und Wertepolarisierung, Krieg und Klimaerwärmung vor grossen Herausforderungen. Unsere bisherige Lebensweise ist in Frage gestellt. Verlustängste und Verunsicherung drohen unser Lebensgefühl zu bestimmen. Die Wissenschaft ist sich einig, dass positive «Narrative» helfen könnten: «Gesellschaften brauchen positive Zukunftsbilder, sie können Kräfte freisetzen und helfen, bestehende Spaltungen zu überwinden.»

Das sinnstiftende «Narrativ» des Christentums
Aus der Perspektive der Veränderungsforschung blickt Monika Zulawski auf das grosse sinnstiftende «Narrativ» des Christentums. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin stellt in einem Beitrag in der Zeitschrift «euangel: Magazin für Missionarische Pastoral» fest, dass das christliche «Narrativ» noch immer Wirkung zeigt.

Sie sieht das vor allem in der «Figur von Jesus Christus und im Evangelium selbst» begründet: «Betrachten wir die vergangenen zweitausend Jahre der europäischen Geschichte, werden wir kaum ein langlebigeres und beständigeres Narrativ in unserer Gesellschaft finden als das des auferstandenen Christus.»

«Versprechen des Christentums» durchaus noch gefragt
Als wichtigstes «Versprechen des Christentums» bezeichnet Zulawski «die Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben nach dem Tod». Dieses Narrativ sei heute durchaus noch gefragt: «Spätestens beim Verlust eines lieben Menschen finden viele Trost in der Hoffnung auf ein Wiedersehen am Ende des eigenen Lebens.»

Der Kirchenbote hat eine kirchliche Jugendarbeiterin und einen in Politik und Kirche engagierten jungen Menschen gefragt, welche Geschichten («Narrative») sie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen.

 

Das meinen Miriam Weisser und Rick Näf:

 

Lagerfeuer, Zweifel, Hoffnungskraft

Miriam Weisser (37), Jugendarbeiterin, Evangelische Kirchgemeinde Müllheim, Diakonin, angehende Fachfrau für Transaktionsanalyse, Co-Leiterin der Anlaufstelle Grenzverletzungen der Kantonalkirche.

«Vor kurzem sass ich mit Freunden ums Lagerfeuer. Wir redeten über Gott und die Welt, als eine Freundin meinen Mann plötzlich fragte: 'Warum glaubt ihr eigentlich noch?' Er antwortete. Nach einer längeren Zeit drehte sie sich zu mir: 'Und du? Du arbeitest doch in der Kirche?' Ich schaute weiterhin ins prasselnde Feuer und hörte mich ganz selbstverständlich, klar und deutlich 'Hoffnung' sagen. Sie atmete hörbar aus und sagte: 'Hoffnung hätte ich auch gerne.'

Auch in der Jugendarbeit sehe ich, wie wichtig diese Hoffnung ist. Wenn junge Menschen mit Zukunftsängsten ringen, wenn die Welt unsicher erscheint, Krieg und Tod näher rücken. Für mich ist unser Glaube ein Glaube der Hoffnung – Glaube, Liebe und Hoffnung sind untrennbar miteinander verwoben. Die biblischen Geschichten stecken voller Hoffnungskraft.

Man könnte sagen, es sind Hoffnungsgeschichten, beispielsweise die Geschichte von Emmaus: Zwei Menschen gehen ohne Hoffnung und enttäuscht ihren Weg. Doch ein Dritter geht mit – unerkannt. Sie reden, zweifeln und sind traurig. Erst am Ende begreifen sie: Gott war die ganze Zeit bei ihnen und sie spüren neue Hoffnung. Jesus zeigte sich nicht nur den Jüngern nach Emmaus, sondern er grillte ihnen auch Fische am See (Joh 21), da sassen sie nun am Lagerfeuer mit der lebendigen Hoffnung, die den Tod überwunden hatte.»

Mein Antrieb ist Dankbarkeit

Rick Näf (24), Scharleiter der Jubla Sulgen, Präsident der Jungfreisinnigen Thurgau und Vorstandsmitglied der FDP AachThurLand, aufgewachsen in Donzhausen, lebt heute in Weinfelden.

«Was lässt mich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken? Es sind die Menschen, mit denen ich mich umgeben darf – und die Orte, an denen ich mich engagieren kann. In der Jubla Sulgen und in der Politik habe ich ein Umfeld gefunden, das mich inspiriert und trägt. Dort kann ich etwas bewegen – im Kleinen, aber wirksam.

Oft lassen wir uns vom Alltag herunterziehen: Ein voller Zug, schlechtes Wetter, verschütteter Kaffee. Doch solche Momente sollten uns nicht den Blick auf das Grosse verstellen. Für mich beginnt ein positives Narrativ mit Dankbarkeit. Dankbarkeit bringt mich persönlich wieder dazu positiv zu denken. Ich glaube an die Kraft der Perspektive. Ein kurzer Moment des Innehaltens, ein anderer Blickwinkel – und das, was eben noch schwer und riesig war, verliert an Macht. Wer das übt, übernimmt Eigenverantwortung.

Ich habe für mich entschieden, ein positiver Mensch zu sein – und das auch auszustrahlen. Denn wir selbst gestalten unsere Welt mit. Und wenn wir im Kleinen Verantwortung übernehmen, können wir andere mitziehen. Diese Haltung trage ich nach aussen – in meinem Engagement, in Begegnungen und in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die sich dem Guten verpflichtet weiss.»

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