News aus dem Thurgau

Schatz der Sonntagsruhe bewahren

von Cornelia Brunner-Scherrer
min
28.08.2025
Gemeinsame Ruhetage sind kein Luxus: Sie dienen der Gesellschaft. Sie fördern die Gemeinschaft. Sie erhalten die Gesundheit. Und: Sonntage schaffen Raum für Gottesbegegnungen.

«Dass Anspruch auf Freizeit und freie Tage besteht, ist in der modernen westlichen Welt nicht bestritten», sagt Wilfried Bührer, Altkirchenratspräsident. Die Frage sei viel mehr, wie viel davon für alle auf dieselben Zeiten fallen soll. Es wäre für ihn persönlich, aber auch gesamtgesellschaftlich ein (Kultur-) Verlust, wenn allgemeine Sonn- und Ruhetage zugunsten von rein individuellen Lösungen aufgegeben würden.

Dafür tritt auch die Gewerkschaft Syna ein: «Die Sonntagsruhe ist kein Luxus, sondern ein grundlegender Pfeiler für Gesundheit, Erholung und sozialen Zusammenhalt.» Echte Ruhe mache belastbar, so der Jugendarbeiter Willy Ramazani. Aus seiner Militärzeit wisse er, dass ohne Pausen Leistung und Durchhaltefähigkeit spürbar sänken.

«Persönlich geben mir Ruhetage einen heilsamen Rhythmus: Zeit für Gott, Erholung, Beziehungen – und neue Kraft fürs Unterwegssein.» Evelyn Knupp, Religionslehrerin, berichtet: «In der Lektion mit dem Thema der ersten Schöpfungsgeschichte sollen sich die Kinder jeweils so richtig in den Stuhl hängen, tief durchatmen und einfach einen Moment entspannen.» Gott blickt zurück auf sein Schaffen und sagt, dass alles sehr gut ist. «Und diese positive Sichtweise dürfen wir bewusst einüben. Am Sonntag ganz besonders!»

 

Wilfried Bührer ist ehemaliger Kirchenratspräsident der Evangelischen Landeskirche Thurgau. (Bild: zVg)
Jugendarbeiter in der Evangelischen Kirchgemeinde Amriswil: Willy Ramazani. (Bild: zVg)
Evelyn Knupp ist Religionslehrerin und Präsidentin der Kirchenvorsteherschaft in Wigoltingen-Raperswilen. (Bild: zVg)

 

Nicht ins Hamsterrad geraten

Für Christen ist ja nicht der Sabbat, der Samstag, sondern der Sonntag der heilige Tag. Im Sabbatgebot (2. Mose 20, 8-11) wird der Sabbat als der Tag des Herrn bezeichnet und als Ruhetag angeordnet.

«Die Gefahr, dass wir Menschen in ein Hamsterrad von nicht enden wollenden Arbeiten und Verpflichtungen geraten, ist damit deutlich verringert», sagt Bührer. Auch die Gefahr der Ausbeutung – selbst die Sklaven seien ausdrücklich erwähnt.

Konstantin, der erste christliche Kaiser von Rom, verfügte dann im Jahr 321 den Sonntag, den ehrwürdigen Tag der Sonne beziehungsweise den Tag der Auferstehung Jesu Christi, als arbeitsfreien Ruhetag. Dieser galt für die Beamten und Bewohner in den Städten.

Die ländliche Bevölkerung hingegen war davon ausgenommen: «Auf diese Weise kann die Gabe des Himmels nicht verloren gehen, wenn man den richtigen Zeitpunkt für solche Arbeiten versäumt» so Philip Schaff in «Geschichte der christlichen Kirche».

Für den Menschen gemacht

«Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat (Mk 2,27)». Für Ramazani bedeutet dies: «Ruhe als Geschenk und nicht als Last». Kleine, bewusste Praktiken wie Gottesdienste, gemeinsames Essen oder ein «digitaler Sabbat» würden helfen, diese Gabe konkret zu leben in einer schnelllebigen Welt.

Und Bührer stellt fest: «Je älter ich werde, desto wichtiger wird mir der Rhythmus.» Für einen Pfarrer beginne der arbeitsfreie Sonntag zwar meistens erst am Mittag; «umso mehr geniesse ich dann aber den Nachmittag. Freie Stunden am Sonntag sind für mich definitiv nicht dasselbe wie unter der Woche.»

«Das hat schon Qualität»

Knupp erinnert sich an ihre Teenagerzeit, in der für sie die Sonntage einfach nur schrecklich «langweilig» waren. «Heute finde ich es grossartig, dass dank unserer Religion für alle Menschen in der Schweiz ein Tag da ist, an dem sich niemand rechtfertigen muss, einfach mal Dinge zu tun, die nichts mit Leistung zu tun haben.»

Jeden Sonntag Zeit haben zum Feiern in den unterschiedlichsten Gottesdiensten, Zeit, um zu geniessen, Gemeinschaft zu pflegen, Ruhe zu finden, «das hat schon Qualität!».

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