News aus dem Thurgau

Von der Mühsal der Busse

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21.08.2017
Busse, du altmodisches, du graues, du dürres Wort! Wie machst du mir doch das Leben schwer, jetzt, da ich aufgeboten bin, über dich zu schreiben!

Seufzend wiege ich den Kopf hin und her, kaue am Bleistift, an den Fingernägeln. Ich kaue am Wort, schiebe es hin und her wie ein Stück Gammelfleisch, kann es nicht schlucken, würge. Busse, schweizerische Busse gar. Sack und Asche. Schuld … verschwinde, Unwort des Monats! Wie dem Wort beikommen? Technisch? Grammatikalisch? Busse ein Nomen, DIE Busse, feminin. Wen wunderts? Ist nicht bereits die Erbsünde weiblichen Ursprungs? Die Busse. Der Bus. Beachte die Rechtschreibung. Wo Sünde, da Busse – im besten Fall. Busse, immer noch besser als Verdrängung, oder etwa nicht? Ein wahres Kreuz-Wort, ein Kreuzworträtsel! Ein Wort mit fünf Buchstaben, beginnt mit B.

Ich stecke fest!
Ich stecke fest, die Busse steckt fest, wir kommen nicht weiter miteinander. Suche nach Reimen, flüstert die Erbsünd-Schlange. Die Busse – der Russe. Geht nicht, Busse spricht man mit Lang-U. Buuuusse. Die Busse – die Musse. Schon besser! Musse zu haben, jetzt, an diesem netten Feierabend, das wärs! Doch ich soll ja schreiben, nicht trödeln. Kreuzworträtsel lösen. Keine Musse am Fusse des sperrigen Wortes. Da taucht ein Bibelwort auf: Tuet Busse und sündigt fortan nicht mehr! Falsch, belehrt mich Google: «Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr», heisst es bei Joh. 8, 11. Kein Wort von Busse. Die Vergebung bereits mitgemeint in der schlichten Aufforderung: Gehe hin. Typisch Jesus!

Geht es um Vergeltung, um Rache?
Nimm das Verb, flüstert die Schlange. Sie hat wohl gut aufgepasst im Grammatikunterricht, schlau wie sie ist. Büssen. Ich büsse. Wir büssen. Das sollst du mir büssen. Geht es um Vergeltung, um Rache gar? Wo bliebe da die Barmherzigkeit? Ist nicht das Verzeihen der höhere Wert als das Büssen? Und erst noch christlicher? Und überhaupt: büssen wofür? Landen wir da nicht wieder bei der Urschuld? Dass wir aus der Einheit mit Gott ausgebrochen sind, indem wir unseren eigenen Weg als Menschen gehen wollten? Und für dieses Vergehen weiss Gott eine Strafe verdient haben, nämlich, das Brot im Schweisse unseres Angesichtes zu verdienen?

Ich zapple am Haken
Nun zapple ich am Haken des ungeliebten Wortes wie ein Fisch an der Angel. Schuld und Sühne. Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr, sprach Jesus zur Ehebrecherin. Sie hatte gegen die herrschende Ordnung verstossen, und es galt, diese zerrüttete Ordnung wiederherzustellen. Alle wussten, wie: durch Steinigung. Doch anstatt die Frau zu verurteilen, entliess Jesus sie in die Eigenverantwortung. Es hatte sich niemand gefunden, der ohne Sünde war und deshalb den ersten Stein hätte werfen können. Ich staune, wie Jesus sein Richteramt ausfüllte: Statt ein Gefälle von Gut und Böse aufzubauen, stellt er eine Sichtweise auf Augenhöhe her. 

Der Blick ohne Scheuklappen
Ich atme auf. So, ja so kann ich das störrische Wort schlucken. Busse tun, na meinetwegen: Wiedergutmachung leisten, Verantwortung übernehmen für das eigene Tun und Lassen. Der Büsser, die Büsserin nicht kriechend im Staub der Ackerschollen, sondern mit einem Blick ohne Scheuklappen und dem Mut zur Einkehr. Eidgenössisch? Zeitgenössisch! Ein Land soll Busse tun? Nein, wir, die wir dieses Land bewohnen, sollen Ausschau halten. Nach dem Stein des Anstosses? Nach dem Balken im eigenen Auge. Der uns blind macht. 

B-l-i-n-d. Auch so ein Wort mit fünf Buchstaben. Beginnt mit «klein-b». Adjektiv. 

 

Text: Christine Fischer, St.Gallen, Autorin | Bild: Daniel Stiefel  – Kirchenbote SG, September 2017

 

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