«Wir sind Höherem verpflichtet»
Mit welchen Gefühlen denken Sie an den 21. Mai?
René Walther: Es erfüllt mich mit viel Freude und Stolz, für ein Jahr den Grossen Rat leiten zu dürfen. Ich freue mich auf viele Kontakte mit den verschiedensten Menschen. Das beginnt dann schon am Abend bei der Wahlfeier in Arbon.
Mit welchem Motto steigen Sie in Ihr Präsidialjahr?
«Phyto Pharma». So nennt sich ein Medizinalzweig, der im Oberthurgau einen Schwerpunkt hat. Da geht es um die Gesundheit und das Wohlbefinden im Allgemeinen, um das nachhaltige Denken auch. Als Grossratsbüro werden wir in diesem Jahr unsere Sitzungen teils auch in solchen Firmen abhalten.
Am Anfang des Wahltags steht eine Andacht in der evangelischen Kirche in Frauenfeld. Was bedeutet sie Ihnen?
Diese Andacht ist für mich jeweils ein Moment der Besinnung und der Einkehr. Mir ist wichtig, dass wir uns als Grosser Rat unserer Verantwortung bewusstwerden, auch vor Gott, und dass wir unser Amt ins richtige Licht rücken. Wir sind etwas Höherem verpflichtet und dienen etwas Grösserem.
Politik und Kirche: Passt das noch zusammen?
Absolut! Es gibt christliche Grundsätze, die auch für die Politik wichtig sind. Ich denke an die Goldene Regel aus der Bibel, dass man andere Menschen so behandeln sollte, wie man selber behandelt werden möchte. Oder natürlich an das Gebot, den Nächsten wie sich selber zu lieben.
Viele treten aus der Kirche aus – warum Sie nicht?
Für mich kein Thema. Der Besuch der Kirche bringt mir etwas. Da kann ich zur Ruhe kommen und mich mit meinem Glauben auseinandersetzen. Die Kirche und der Glaube sind für mich ein wichtiger Anker.
Welche Erfahrungen machen Sie im Thurgau mit der Kirche?
Sehr positive, und zwar mit allen Konfessionen und Religionen. Ich habe auch schon an muslimischen Anlässen teilgenommen. Ich erlebe auch da viel Wohlwollen. In unserem Kanton der kurzen Wege versucht man, das Leben miteinander zu gestalten.
Warum vertrauen Sie auf Gott?
Weil ich durch verschiedene Erlebnisse gemerkt habe, dass mich Gott lenkt und führt. Schon früh als Kind hatte ich einen schweren Unfall. Da stand mein Leben auf der Kippe. Ich erinnere mich an Momente im Spital, als ich dachte, ich möchte Spuren hinterlassen, wenn ich von dieser Welt gehe.
Sind Sie in einer gläubigen Familie aufgewachsen?
Nicht unbedingt. Mein Vater ist in Ostdeutschland lutheranisch aufgewachsen, meine Mutter ist reformiert. Ich ging mit Begeisterung in die Sonntagsschule. Später besuchte ich in Berlingen bei Pfarrer Schneider gerne den Konfirmandenunterricht. Er hat mir geholfen, Gott zu finden – auch in den Menschen.
Wie heisst Ihr Konfirmationsvers?
«Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Wege» aus Psalm 119.
Wie pflegen Sie im Alltag das Gebet?
Ich sitze oft am See und bete für mich. Es gibt in Arbon auch verschiedene Gruppen, die mir sagen, dass sie für mich beten und mich auch nach Gebetsthemen fragen. Für mich eine motivierende Sache. Wer im Gebet mit Gott verbunden ist, geht positiver auf die Menschen zu, nimmt sich selber nicht mehr so wichtig und wird gelassener.
Welche Werte sind für Sie als Christ zentral?
Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Nächstenliebe, Gemeinsinn.
Was bereichert Ihr Leben am meisten?
Die Berge. Und der See, das Segeln. Auf den Bergen fühle ich mich Gott am nächsten. Da werde ich demütig, weil ich merke, wie klein der Mensch ist. Und da frage ich nach der Macht, die unsere wunderbare Schöpfung geschaffen hat.
Ihr Wunsch an die Christen in unserem Kanton?
Zuversicht behalten. Füreinander da sein. Gemeinsam an einer positiven Entwicklung arbeiten. Und für unseren Kanton und für diejenigen, die ihn gestalten, beten.
«Wir sind Höherem verpflichtet»