Wir sind Problem und Lösung
Klimawandel und weltweite Ungerechtigkeit: Was kann die einzelne Person dagegen tun? In Gaby Zimmermanns Augen wäre es fatal, nichts zu machen. Und deshalb unternimmt sie etwas. Die Romanshorner Gemeindeleiterin engagiert sich seit Jahren für einen liebevollen Umgang mit Tieren, unseren Mitmenschen und der Natur.
Frau Zimmermann, Sie setzen sich ehrenamtlich im Verein Aktion Kirche und Tiere (AKUT) ein. Weshalb ausgerechnet Tiere?
Weil man den Schwächsten eine Stimme geben muss und die Tiere dazugehören. Kirchen sind voll mit Tiersymbolen: Lamm, Tauben, Bären, Fische. Doch die wirklichen Tiere werden in meinen Augen zu wenig thematisiert.
Mir wurde oft gesagt, ich solle mich erst um die von Elend betroffenen Menschen kümmern. Doch bei den Menschen und Tieren sind es dieselben Mechanismen, die zu grossem Leid führen: Wie wir wirtschaften, gefährdet das Leben – und zwar alles Leben. Für Monokulturen, Rohstoffe, Kriege werden Menschen und Tiere vertrieben, es wird ihre Würde genommen und es gibt gnadenlose Lebensbedingungen auch rund um die (Massen-)Tierhaltung.
«Wenn ein Schweinchen stirbt, hinterlässt es keinen Schrott. Und was hinterlasse ich?»
Schaffen wir hier eine Umkehr?
Für mich ist nicht die erste Frage, ob eine schöpfungsverträgliche Welt überhaupt noch erreichbar ist. Unsere Generation muss jetzt ihr Möglichstes dafür tun – auf allen Ebenen: individuell, politisch, wirtschaftlich und kulturell. Wir haben dazu keine Alternative, wollen wir unsere Erde nicht bis zur Vernichtung ausplündern. Unser Lebensstil bewirkt die Klimakatastrophe und die Zerstörung von Lebensräumen und Lebenschancen. Das heisst aber auch: Wenn wir Teil des Problems sind, können wir auch Teil der Lösung sein!
Was können uns dabei die Tiere lehren?
Zu Hause habe ich zehn Mini-Schweinchen, das älteste ist 19 Jahre alt. So alt kann es werden, wenn es nicht nach 120 Tagen für unseren Fleischhunger geschlachtet wird. Ausserdem brauchen sie nicht viel zur Zufriedenheit; Futter, frisches Gras, genügend Platz, Sonne und Ruhe. Wenn ein Schweinchen stirbt, hinterlässt es keinen Schrott. Und was hinterlasse ich? Wir brauchen nicht wie Schweine zu leben, aber könnten uns öfters überlegen: Wie viel brauche ich wirklich? Wir müssen lernen, ohne Raubbau auszukommen.
«Um glaubwürdig zu sein, müssen Kirchen auch selber handeln. Darum habe ich mich stark an der Einführung des Grünen Güggels beteiligt.»
Wie kann die Kirche etwas zu einer nachhaltigeren Welt beitragen?
Allein kann man viel tun, und das ist wichtig. Aber gemeinsam ist es nicht nur wirkungsvoller, sondern auch persönlich stärkender. Die Kirchen mit ihrer Botschaft der Umkehr und vom Himmelreich, das jetzt beginnt, ihrer Option für Schwache und Arme, ihrer weltweiten Vernetzung, ihren Hilfswerken – Fastenopfer und Brot für alle – hilft, zu schaffen, was allein nicht möglich wäre, und zusammen mit anderen Teil des Wandels zum Leben zu werden.
Um glaubwürdig zu sein, müssen Kirchen auch selber handeln. Darum habe ich mich stark an der Einführung des kirchlichen Umweltmanagements «Grüner Güggel» beteiligt. Es hinterfragt wichtige Bereiche, wie umweltverträglich und fair eine Kirchgemeinde ist. Diese gesamtheitliche Betrachtung hat mich fasziniert. Allein die ersten fünf im Thurgau zertifizierten Kirchgemeinden brachten 230 Massnahmen auf den Weg, vor allem bei Energie, Biodiversität und Beschaffungswesen. Die zweite Staffel folgte 2017 und weitere Kirchgemeinden in der Schweiz haben das Label erhalten oder sind unterwegs dazu. Das erhöht Umweltverträglichkeit und Fairness, spart Kosten und ist Teil des notwendigen Wandels.
Interview Madlaina Lippuner, Fastenopfer | Foto: Fastenopfer/Bruno Neuenschwander – Kirchenbote SG, März 2018
Wir sind Problem und Lösung