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Helmut Zimmerli: «Wir sind doch alles Christen»

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25.11.2020
Nach zehn Jahren tritt Helmut Zimmerli-Menzi als Kirchgemeindepräsident zurück. Der Unternehmer ist ein pragmatischer Ökumeniker, der die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen anstrebt.

Er ziehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge weg, erklärt Helmut Zimmerli. Lachend, da seine Frau und er in der Stadtnähe eine schöne Wohnung gefunden haben, die derzeit am Entstehen ist. Weinend, weil sich die Zimmerlis in Flüh und dem Solothurnischen Leimental wohlfühlen, hier Freunde haben und in der Kirchgemeinde wertvolle Menschen kennengelernt haben. Doch der Unternehmer ist konsequent: Er sei jetzt 62 Jahre alt und plane allmählich seine dritte Lebensphase. Da sei ein Haus mit pflegeintensivem Garten und sechs Zimmern einfach zu gross.

Zielstrebig und konsequent hat Helmut Zimmerli die Kirchgemeinde Solothurnisches Leimental geleitet. 15 Jahre sass er im Kirchgemeinderat, zehn Jahre davon als Präsident. Dem Headhunter war es wichtig, dass die Behörde mit fähigen Mitgliedern besetzt ist. Man habe gezielt nach Leuten gesucht, die ihre Kompetenzen und Erfahrung in die Kirche einbringen können. So betreut ein Schulleiter das Ressort Unterricht und eine Personalleiterin die Mitarbeitenden.

Mehr Selbstbewusstsein
Helmut Zimmerli ist überzeugt, dass die Kirche als Arbeitgeberin nach wie vor attraktiv ist. Der Beweis hierfür sei das ausgesprochen leistungsfähige Pfarramtteam, das in der Jugendarbeit weit über die Region hinaus beispielhaft mit den Einwohnergemeinden zusammenarbeitet. Auch müsse man nur auf die Leute zugehen, selbst wenn sie nicht zwingend kirchennah seien. Die Kirche müsste mit viel mehr Selbstbewusstsein und Selbstverständnis auftreten. Zimmerli: «Die Kirchen leisten so viel Gutes für die Menschen und die Gemeinschaft. Sie sollten dies zu Markte tragen und zeigen, was sie tun.»

Den Kern des Auftrags sieht Helmut Zimmerli, nebst der Verkündigung des Evangeliums und des Glaubens, in der Vermittlung von Werten, die den Umgang prägen, und in der Begleitung der Menschen in allen Lebenssituationen. Gerade während der Corona-Pandemie sei es wichtig, dass die Kirchen für die Menschen da sind. Der Unternehmer warnt jedoch davor, dass die Kirchen parteipolitisch agieren. Das führe immer wieder zu Austritten, wie die jüngste Zeit zeige.

Der Mensch ist viel mehr auf sich bezogen
Der Mitgliederrückgang ist für Helmut Zimmerli ein Wermutstropfen. Als er vor 15 Jahren sein Amt antrat, zählte die Kirchgemeinde noch 2000 Mitglieder, heute sind es nur noch 1560. «Das ist ein Minus von 22 Prozent», sagt Zimmerli. «Jeden CEO hätte man mit einer solchen Performance schon längstens entlassen.» Der 62-Jährige führt den Mitgliederrückgang auch auf die gesellschaftliche Entwicklung zurück, welche nicht nur die Kirche treffe. «Jeder Verein kämpft um die Mitglieder und jeder Club hat Mühe, den Vorstand zu besetzen.» Der Mensch sei heute viel mehr auf sich bezogen, lebe selbstbestimmt und will heute das eine und morgen das andere.

Auch erlauben die digitalen Devices heute eine zeit- und ortsunabhängige Konsumation von Informationen. Der Gottesdienst am Sonntag um 10 Uhr wird in Zukunft vielleicht durch eine Neunzig-Sekunden-Predigt im Sinne eines «Elevator Speech» auf Instagram oder TikTok stattfinden, so Helmut Zimmerli-Menzi.

Zu Gast im Vatikan
In Flüh steht die erste ökumenische Kirche der Schweiz. Der moderne Bau mit den Glasfenstern des Basler Künstlers Samuel Buri ist einen Besuch wert. Seit bald 46 Jahren feiern hier Katholiken und Reformierte zusammen Gottesdienste. Die Protestanten pflegen auch gute Beziehungen zum nahen Kloster Mariastein. Die Ökumene ist für Helmut Zimmerli eine Herzensangelegenheit. In Kolumnen und Artikeln macht er sich dafür stark. «Wir sind doch alles Christen», erklärt Zimmerli. Statt doppelspurig weiterzufahren, plädiert er dafür, vieles gemeinsam zu machen. Während seiner Amtszeit hat er den Vatikan besucht. Papst Franziskus sei eine gewinnende Persönlichkeit, die eine grosse Ausstrahlung habe. «Er ist ein guter Botschafter für die Christenheit», erklärt Zimmerli.

Doch die Reformen in der katholischen Kirche kämen nur in sehr, sehr kleinen Schritten vorwärts. Es habe ihn gefreut, dass der Papst kürzlich erklärte, es dürfe homosexuelle Paare geben. Enttäuscht haben ihn hingegen dessen Aussagen zur Stellung der Frauen und der Laien in der katholischen Kirche. Da bewege sich kaum etwas.

Engere Zusammenarbeit
Durch den Mitgliederschwund und die abnehmenden Finanzen werden Katholiken und Reformierte künftig stärker zusammenarbeiten müssen, prophezeit Zimmerli. Die konfessionellen Unterschiede seien für viele heute nicht mehr nachvollziehbar. «Warum diese nicht für einmal vergessen, flexibel werden, zusammen eine Messe oder einen Gottesdienst feiern und das Mahl Christi gemeinsam teilen?», fragt der Unternehmer, der in der Wirtschaftswelt erlebt, wie Unternehmen plötzlich zusammenarbeiten und fusionieren.

Auch wenn sich die Strukturen, selbst die kirchlichen, verändern, eins bleibt: Die Verbundenheit der Zimmerlis zum Solothurnischen Leimental. Helmut Zimmerli wird weiterhin das Leben in der Kirchgemeinde verfolgen. Und sicher die Narrenpredigt in Flüh besuchen. Das steht für den aktiven Fasnächtler fest.

Tilmann Zuber

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