Doch keine Vergeltung?
Selbst in Anbetracht der Tatsache, dass es ein Gleichnis ist, das Jesus erzählt, erscheinen die Umstände skurril, die hier erzählt werden. Der Eigentümer des Weinbergs unternimmt allerlei, um den ihm zustehenden Anteil an der Ernte zu bekommen. Wahrscheinlich können die Pächter des Weinbergs den Pachtzins nicht zahlen, anders ist ihr verrücktes Verhalten kaum zu erklären. Hier wird schon deutlich, dass das Gleichnis von menschlicher Schuld erzählt, und von Gottes Versuchen, sich in dieser Welt Gehör zu verschaffen.

Das Bild des Weinbergs
Als Jesus damals begann, das Gleichnis zu erzählen, mögen viele, die ihm zuhörten, sich an den Propheten Jesaja erinnert gefühlt haben. Von ihm stammt das bekannte Weinberglied (Jesaja 5), dessen Anfang genau so klingt wie das Gleichnis Jesu. Bei Jesaja sollte das Volk urteilen, was Gott mit einem Weinberg tun soll, der trotz aller Bemühungen und Sorgfalt schlechte, saure Früchte bringt. Gott selbst verkündet das Urteil: Die Mauern des Weinbergs sollen eingerissen werden, er soll zertreten und überwuchert werden, so dass nichts mehr von ihm übrigbleibt. Dabei steht der Eigentümer des Weinbergs für Gott und die Mühe, die er aufwendet, für seine liebevolle Zuwendung zu seinem Volk, das durch den Weinberg repräsentiert wird. Die sauren Früchte sind Unrecht, Gewalt und Ungerechtigkeit, deren soziale Folgen vor allem durch Vertreter der Oberschicht zu verantworten waren. Das Urteil der Vernichtung des Weinbergs ist eine Gerichtsankündigung über die, welche Gott, seinem Wort und Gebot keinen Raum in ihrem Leben geben wollen.
+++ Schwere Gewalttaten und ein Toter +++
Der Eigentümer eines Weinbergs im judäischen Hügelland hatte nach bisherigen Ermittlungen sein Land aufgrund eines Auslandsaufenthalts an mehrere Winzer verpachtet. Um den vereinbarten Pachtzins einzuholen, sandte der Eigentümer mehrfach Boten aus. Von den Winzern wurden die Gesandten jedoch mehrfach verhöhnt, misshandelt oder gar getötet. In der Meinung, dass die Pächter die Autorität seines einzigen Sohnes anerkennen würden, sandte der Grundbesitzer schliesslich ihn aus. Als die Winzer davon erfuhren, fassten sie den Entschluss zur Tötung des Sohnes, in der Annahme, sich so das Erbe sichern zu können. Die Ermittlungen der Polizei erstrecken sich infolgedessen auf die Tatbestände der Körperverletzung, des mehrfachen Totschlags, der Unterschlagung und des versuchten Raubs.
Sich selbst verurteilen?
Jesus erzählt das Gleichnis jedoch anders weiter als Jesaja. Boten treten auf, die an die Propheten erinnern, durch die Gott durch die Zeiten hinweg Menschen zur Umkehr gerufen hatte. Doch sie predigten im Wissen, auf taube Ohren zu stossen und statt Verständnis und Umkehr wachsende Sturheit vorzufinden. Es bleibt dem Eigentümer des Weinbergs nur noch übrig, seinen Sohn zu senden. Das feiern wir zu Weihnachten und lesen im Johannesprolog, was im Gleichnis Jesu erzählt wird: Gott kommt durch seinen Sohn in sein Eigentum, «doch die Seinen nahmen ihn nicht auf» (Johannes 1,11). Krippe und Kreuz sind nur ein winziges Stück voneinander entfernt. Das Urteil der Winzer ist bereits gefallen: Der Sohn muss sterben. «Was wird nun der Herr des Weinbergs tun?», fragt Jesus. Die Antwort ist klar, denn man kannte ja das Weinberglied: Vernichten müsste man diese Pächter. Weil sich das aber keiner zu sagen traute, keiner sich selbst verurteilen wollte, gibt Jesus im Gleichnis die Antwort: «Er wird kommen und die Weingärtner umbringen.»

Das Wunder des Ecksteins
So steht es um unsere Welt, so steht es um den Menschen im Allgemeinen, und nach dem Massstab der Gerechtigkeit würde ein Urteil für den Menschen verheerend sein. Die Geschichte Gottes mit den Menschen müsste zu Ende sein, nachdem selbst sein Sohn nicht verschont geblieben ist von der Bosheit und Machtversessenheit der Mächtigen und dem Konformismus einfacher Leute. Dass es nicht zur allerschlimmsten Katastrophe gekommen ist, liegt darin begründet, dass Gottes Plan von Anfang an ein anderer war: «Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden», zitiert Jesus aus Psalm 118, und fügt an, «Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen». Ein Wunder geschieht und es kommt nicht zum schlimmsten, sondern zum besten denkbaren Ende. Gott schenkt einen neuen Anfang. Es ist, als wäre ein neuer Weinberg gepflanzt worden, von dem, so sagt es der Kirchenvater Hieronymus, wir heute noch trinken.
«Lernort» Tatort
«Christ, der Retter ist da», wird zu Weihnachten gesungen. Zu bedenken ist, dass hier alle Initiative von Gott ausgeht. Die frohe Botschaft, deren Ankerpunkte Weihnachten, Karfreitag und Ostern sind, gibt es nur, weil der auf die Erde gekommene Sohn keinen Anteil an der Ernte fordert, sondern sich selbst gibt, um die Schuld der Pächter zu begleichen. Für Christen ist dieses Wunder eines, das ins eigene Leben greift mit der Erkenntnis: Gott sei Dank darf ich darauf hoffen, dass ich nicht bekomme, was ich verdiene, sondern Gott mich rettet und barmherzig ist. noch trinken.
Doch keine Vergeltung?