«Ich war gerne Kirchenrat»
Seit 22 Jahren prägt Pfarrer Lukas Weinhold die Ausrichtung der Thurgauer Landeskirche mit. Sein Ressort Weltweite Kirche löste ein Umdenken aus. «Ich hatte eines der interessantesten Ressorts überhaupt», erklärt der abtretende Kirchenrat dankbar seine Horizonterweiterung. Die Vernetzung mit der weltweiten Kirche bedeutet ihm viel.
Im Austausch von kulturell unterschiedlich gelebten Formen der Christusnachfolge sieht er mehr als nur wertvolle Bereicherung für alle: «Der Protestantismus kann nur überleben, wenn alle reformierten Kirchen weltweit in Verbindung bleiben.»
Säen und ernten
Noch frisch ist die Erinnerung an seine Ungarnreise, als er erzählt, wie sich die Kirchgemeinde Göncruszka mit Hilfe von Kirchgemeinden und dem Hilfswerk der Evangelisch- reformierten Kirche Schweiz (Heks) um mittellose und ausgegrenzte Menschen kümmert. «Mich begeistert, wie das für anfangs 20 Kinder ausgelegte Schulhaus Talentum mittlerweile 250 Kinder individuell fördert und den Unterricht auch mit Sport- und Musikförderung auf deren Begabungen aufbaut.»
Tief beeindruckt ist der Thurgauer, wie die Kirche dort Angehörige sozial ausgegrenzter Minderheiten miteinbezieht, um gemeinsam an einer lebenswürdigen Zukunft zu bauen. Im Wirken der Kirchgemeinde Göncruszka entfaltet sich für Weinhold die Bedeutung vom Senfkorngleichnis aus Matthäus 13,31f: Es wird zu einem Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten. Weinhold bekräftigt: «Was wir säen, kann Lebensraum für viele werden, wenn wir dies in der Ausrichtung auf Gott und Menschen tun.» Zum Saatgut zählt er auch die Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen weltweit.
Seelsorge-Leistung zu bewundern
Als Seelsorge-Ressortleiter stellt Weinhold erfreut fest, dass die Spezialseelsorge in den Institutionen sehr gefragt ist. «Unsere gut ausgebildeten Fachpersonen leisten ausgezeichnete Arbeit abseits des Rampenlichts, sie verdienen es, gewürdigt zu werden.» Weinhold bewundert ihr Engagement: «Menschen in Krisensituationen zu begleiten, gehört mit zu den Grundaufgaben unserer Kirche.» Sorge bereitet Weinhold der bedrohlich anschwellende Antisemitismus – «leider auch in unserem Land. Das Neue Testament kann nur auf Grundlage des Alten Testaments begriffen werden. Dazu gehört für mich auch die bleibende Erwählung Israels.»
Auf Sitzungen gefreut
Besonders geschätzt hat Weinhold die vertrauensvolle, lösungsorientierte Zusammenarbeit mit allen Kolleginnen und Kollegen im Kirchenrat. «Produktive, teils auch unkonventionelle Lösungen wurden möglich, weil es in den Sitzungen kein Denkverbot gibt und kritische Rückfragen willkommen sind. Mit grosser Dankbarkeit blicke ich zurück auf 22 wertvolle Jahre im Kirchenratsgremium, das visionäre Ideen verfolgt – dies immer mit der nötigen Bodenhaftung.»
All das wird Weinhold schon ein wenig vermissen, doch die Einteilung seiner Kräfte veranlasst ihn, kürzer zu treten. Als Gemeindepfarrer freut er sich, mehr Zeit für Hausbesuche und seelsorgerliche Gespräche bei den Menschen seiner Kirchgemeinde Wängi zu haben. «Und ich möchte wieder häufiger in biblische Texte eintauchen, der reichhaltige Schatz der Psalmen erschliesst mir tiefe religiöse Weisheit.» Zudem freut sich der werdende Grossvater auf sein erstes Enkelkind. Und er wird sich intensiver seinem Hobby, dem Imkern, widmen.
«Ich war gerne Kirchenrat»