Nackenschlag für die Bösen
«Und der Herr sprach: Es ist ein grosses Geschrei über Sodom und Gomorrha, denn ihre Sünden sind sehr schwer. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob’s nicht so sei, damit ich’s wisse.» Wenn das stimmt, was Gott zu Ohren gekommen ist, nämlich dass in Sodom und Gomorrha Fremdenhass und Hurerei regieren, dann will er die Städte vernichten.
Um die Seelen feilschen
Diesen Plan teilt er seinem Erwählten Abraham mit. Doch Abraham will Sodom retten, weil sein Neffe Lot dort wohnt. Er versucht, Gott von seinem Vorhaben abzubringen. Abraham beginnt deshalb – obwohl er nur «Staub und Asche ist» – mit Gott um die Seelen in Sodom und Gomorrha zu feilschen. «Willst Du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht 50 Gerechte in der Stadt sein; wolltest Du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um 50 Gerechter willen, die darin wären? Das sei ferne von Dir, dass Du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose? Das sei ferne von Dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?»
Gott findet offenbar Gefallen an diesen Worten und an der Feilscherei. Schliesslich teilt Gott Abraham mit, dass er die Städte verschonen würde, sollten sich nur zehn Gerechte darin finden. Aber nicht einmal das ist der Fall, wie man noch sehen wird. Pfarrer Ed Noort sagte in einer Göttinger Predigt dazu: «Gott lässt mit sich reden. Er will gefragt werden. Er wartet darauf, seiner Liebe und Treue Vorrang zu geben vor dem, was wir Gerechtigkeit nennen.» Für Pfarrerin Hanna Kandal-Stierstadt ist klar, wie sie in einer Zürcher Predigt formulierte: «Abraham erwartet von Gott nicht die Schonung der Gerechten, sondern das Erbarmen für die Schlechten.»
+++ Städte ausgelöscht +++
Heute Morgen sind die Menschen in aller Welt via Zeitungen, Radio und TV über ein furchtbares Unglück informiert worden: Die beiden Städte Sodom und Gomorrha sind plötzlich ausgelöscht worden. Augenzeugen, die das Geschehen aus der Ferne beobachtet hatten, berichteten von Feuer und Schwefel, die vom Himmel herabfielen. Die Kräfte waren so furchterregend, dass sie als das Werk Gottes wahrgenommen wurden. Für viele kam das Unglück allerdings nicht überraschend, waren doch die beiden Städte als ein einziger Sündenpfuhl bekannt.
Sodom und Gomorrha lagen in der Nähe des Toten Meeres, einer erdgeschichtlich interessanten Region mit Gräben aus früheren Erdbeben und einem hohen Aufkommen an Salz und Schwefel. Fachleute, die sich natürlich sofort meldeten, gehen von einem Erdbeben oder der Explosion eines Meteoriten aus. Wie viele Menschen umkamen, ist nicht bekannt, da auch sämtliche Daten im Zivilstandsamt verbrannten. Es dürften aber Tausende gewesen sein.
Feuer und Schwefel
Abends schickt Gott zwei Engel in Männergestalt nach Sodom. Sie sollen sich ein Bild von der Gottlosigkeit machen, wie sie dem Herrn zu Ohren gekommen war. Lot beherbergt die beiden Männer als Gäste in seinem Haus. Doch nachts ertönt ein riesiges Geschrei vor der Tür. «Das ganze Volk aus allen Enden» verlangt von Lot, dass er seine beiden Gäste vor das Haus führt, «damit wir uns über sie hermachen». Lot spricht: «Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel.» Anstelle der beiden Gäste bietet Lot seine beiden Töchter an. «Sie wissen noch von keinem Manne, tut mit ihnen, was euch gefällt.» Das macht die Meute vor Lots Haus nur noch aggressiver. «Du bist der einzige Fremdling hier und willst regieren.»
Die Meute vor Lots Haus will aber nicht die Töchter, sondern noch immer die zwei Engel in Männergestalt, die Lot beherbergt. Die Meute vor Lots Haus will also die Männer durch sexuelle Gewalt vernichten. Derweil verraten die Engel Lot ihre wahre Identität. Die Engel raten Lot, seiner Frau und den Töchtern deshalb dringend, die Stadt zu verlassen. Als sie ausserhalb der Stadt sind, sagt ein Engel: «Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich und bleibe auch nicht stehen in dieser ganzen Gegend. Rette dich ins Gebirge, damit du nicht umkommst.» – «Da liess der Herr Feuer und Schwefel regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und alles, was auf dem Land gewachsen war.» Und Lots Weib sah hinter sich und erstarrte zur Salzsäule.
Stammväter werden geboren
Im Gebirge ist es den Töchtern Lots offenbar langweilig geworden – kein Mann weit und breit, den sie hätten heiraten und dem sie hätten Kinder gebären können. Sie machen ihren Vater Lot schwer betrunken und lassen sich von ihm schwängern. Die Idee der Inzucht trägt im wahrsten Sinne des Worts Früchte: Die Ältere bringt einen Sohn namens Moab zur Welt, die Jüngere einen Sohn namens Ben-Ammi. Und Sara, Abrahams Frau, bekommt im hohen Alter noch ein Kind. Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Damit wird Abraham zum Stammvater der monotheistischen Religionen.
«Lernort» Tatort
Aus der Geschichte von Sodom und Gomorrha liessen sich einige Lehren ziehen. «Kann nicht jeder Mensch etwas dazu tun, dass sich in seiner Stadt auch Gerechte finden?», fragt der ehemalige Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Wolfgang Huber. Und die Zürcher Pfarrerin Hanna Kandal-Stierstadt fordert: «Halte Dich als Mensch nicht zu gering, um dem Rad der Geschichte in die Speichen zu greifen. Mischt euch ein, seht nicht untätig zu.» Eine der wichtigsten Erkenntnisse wohl: Schau nicht zurück. Du verbaust dir damit die Zukunft.
Nackenschlag für die Bösen