News aus dem Thurgau
Pfarrer Spieth verlässt Diessenhofen

Versöhnlicher Abschied trotz Kontroverse

von Roman Salzmann
min
12.08.2025
Pfarrer Gottfried Spieth und die Kirchgemeinde Diessenhofen haben sich einvernehmlich auf einen vorzeitigen Rücktritt geeinigt. Grund waren sein AfD-Engagement in Deutschland und umstrittene Facebook-Äusserungen, die einen Medienwirbel ausgelöst hatten. Eine Chronologie der Ereignisse.

Es sollte ein ruhiger Übergang in den Ruhestand werden. Doch dann sorgte der Diessenhofer Pfarrer Gottfried Spieth für Schlagzeilen, die weit über den Thurgau hinausreichten. Sein Engagement für die AfD in Deutschland und umstrittene Facebook-Posts führten zu einem Medienwirbel, der nun durch eine einvernehmliche Lösung beendet werden konnte.

Der 64-jährige Spieth war seit Juni 2024 als gewähltes Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt an der Oder politisch aktiv. Die Situation eskalierte Ende Juli, als die «Schaffhauser AZ» Facebook-Einträge mit «antisemitischen, völkischen und rechtsextremen» Inhalten öffentlich machte. Die Aufsichtskommission der Evangelischen Kirchgemeinde Diessenhofen reagierte prompt. In Absprache mit dem kantonalen Kirchenrat einigte man sich auf eine vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses. Am 15. August verliess Spieth das Pfarramt – versöhnlich, aber unter aussergewöhnlichen Umständen.

Ohne Amtsenthebungsverfahren

Die Aufsichtskommission der Evangelischen Kirchgemeinde Diessenhofen hat das Vorgehen laut Medienmitteilung der Evangelischen Landeskirche Thurgau mit dem kantonalen Kirchenrat abgesprochen. Dieser ist gemäss kantonaler Kirchenverfassung dafür verantwortlich, die Tätigkeit der Pfarrpersonen zu fördern und unterstützen und sie in geistlich-theologischer Hinsicht zu beaufsichtigen. Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au zeigte sich danach zufrieden mit der einvernehmlichen Trennung, weil die Grenzen des Tolerierbaren überschritten worden seien. Sie zeigte sich ebenso erleichtert, dass dank der konstruktiven Aussprache ein langwieriges Amtsenthebungsverfahren vom Tisch war.

Abschiedsgottesdienst gestaltet

Am Sonntag, 10. August gestaltete Spieth – seit 2017 Pfarrer in Diessenhofen – auf eigenen Wunsch seinen letzten Gottesdienst in der Gemeinde. Im Lokalblatt «Bote vom Untersee und Rhein» wurde darüber wohlwollend berichtet: «Von all den vorangegangenen Konflikten war am Abschiedsgottesdienst Spieths nichts zu spüren. Und wenn Verletzungen passiert waren, so wurde die urchristliche Tugend der Vergebung geübt.» Pfarrer Spieth gibt sich nach den Geschehnissen selbstkritisch: «Ich entwickle mich weiter. Was ich früher auf Facebook im Echoraum meines Eltern- und Geschwisterkreises unbedachtsamerweise äusserte, ist vergangen. Am neuen Ort bin ich in das dortige Friedensnetzwerk eingebunden – ein breites Bündnis linker, rechter und bürgerlich-mittiger Kräfte, das die Tradition der friedlichen Revolution der Wendezeit weiterführt im Brückenschlag zwischen Ost und West.»

«Bleibt mutig und voller Hoffnung!»

An seine Diessenhofer Gemeinde richtete er in seinem letzten Gottesdienst bewegende Abschiedsworte und bedankte sich für viele Momente, Vertrauen und Offenheit: «Auch wenn ich hier und heute etwas vorzeitig gehe, bedingt durch besondere Umstände, bleibt eines gewiss: Jesus Christus, unser gemeinsamer Herr, ist und bleibt die feste Mitte unseres Glaubens. Verliert diese Mitte nicht aus den Augen – auch wenn die Zeiten herausfordernd sind. Kirche lebt von Herzen, die brennen für Gott, nicht nur von Programmen. Bleibt mutig und voller Hoffnung!» Am wichtigsten sei es, die Worte, Farben, Töne und Klänge des Evangeliums in die Familien, die Nachbarschaft, die Vereine «und gerade auch zu denen, die dem Glauben noch fernstehen» hinauszutragen. 

Der «Fall Spieth», so Christina Aus der Au, sei damit abgeschlossen. Im Diessenhofer Pfarramt übernimmt dessen Aufgabe Karin Schmid-Müller, die vorläufig als Pfarrerin in Vertretung amtieren wird. Sie hat in den letzten Jahren das Theologiestudium in Angriff genommen und war bislang in der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Burg Stein am Rhein als Diakonin tätig.

 

Das geschah im «Fall Spieth»

Der Kirchenbote fasst die Vorkommnisse rund um das politische Engagement des abgetretenen evangelischen Diessenhofer Pfarrers Gottfried Spieth chronologisch zusammen.

Amtsenthebung geprüft

Nachdem in den Medien Äusserungen veröffentlicht worden sind, mit denen sich Pfarrer Gottfried Spieth, Diessenhofen, auf Facebook zu politischen und gesellschaftlichen Fragen in seiner deutschen Heimat verlauten liess, prüfte der Thurgauer Kirchenrat eine Amtsenthebung.

AfD-Abgeordneter in Frankfurt/Oder

Anfang Juli 2025 war in den Medien bekannt gemacht worden, dass Pfarrer Gottfried Spieth sich in seiner deutschen Heimat als Abgeordneter der vom deutschen Verfassungsschutz «in Teilen als gesichert rechtsextrem» eingestuften Partei «Alternative für Deutschland» (AfD) in das Stadtparlament seines deutschen Zweitwohnsitzes in Frankfurt/Oder hatte wählen lassen. Die Wahl war am 9. Juni 2024 erfolgt. Seit mehr als einem Jahr ist Spieth damit Mitglied der 46 Mitglieder zählenden Stadtverordnetenversammlung.

Werte der Kirche

Das Engagement des Pfarrers als Abgeordneter der AfD veranlasste die evangelische Kirchenvorsteherschaft Diessenhofen beim Kirchenrat vorstellig zu werden, weil sie das Engagement ihres Pfarrers bei der AfD als «mit den Werten der Kirche nicht vereinbar» hielt. Im Gespräch einigte man sich in der Folge, dass Gottfried Spieth bereits auf Ende 2025 in den beruflichen Ruhestand treten würde, zwei Monate früher als ursprünglich geplant.

Familie früher weggezogen

In der Juni-Ausgabe 2025 des Diessenhofer «Chileblatt» hatte Pfarrer Gottfried Spieth den Kirchbürgerinnen und Kirchbürgern erklärt, dass er sein Pfarramt, weil er das Pensionsalter erreiche, auf Ende 2025 aufgeben werde. Seine Familie mit drei noch schulpflichtigen Kindern werde bereits anfangs August in die neue Heimat in Frankfurt/Oder im Osten von Deutschland ziehen. Ursprünglich hatte Spieth die Absicht gehabt, bis zur Erreichung des ordentlichen Pensionsalters Ende Februar 2026 im Pfarramt Diessenhofen zu verbleiben.

Der Wechsel im Pfarramt Diessenhofen war bereits an der Kirchgemeindeversammlung im März 2025 angekündigt worden. Zu seiner Zukunft in der deutschen Heimat hat Spieth im Juni-«Chileblatt» erklärt, dass er dort «neue gesellschaftliche Aufgaben» übernehmen werde.

Rechtsextrem oder rechtsintellektuell?

Als Ende Juli in der Wochenzeitung «Schaffhauser AZ» die Facebook-Einträge mit «antisemitischen, völkischen und rechtsextremen» Inhalten öffentlich gemacht wurden, erfuhr die Diskussion zur politischen Einstellung und zu den Werten, die der Diessenhofer Pfarrer in der Politik vertritt, eine neue Dimension und Dynamik. Gottfried Spieth hatte sie unter dem Namen seines verstorbenen Bruders veröffentlicht. Wie die Thurgauer Zeitung berichtete, wollte Spieth seine Äusserungen nicht als rechtsextrem verstanden wissen, sondern als «rechtsintellektuell mit einem Brückenschlag zur linken Szene». Im Austausch mit der Thurgauer Zeitung hat er rasch sein Bedauern ausgedrückt und sich von seinen Posts distanziert. 

Versöhnlich statt des Amtes enthoben

Der Thurgauer Kirchenrat sah sich veranlasst, rechtliche Abklärungen zu einer möglichen Amtsenthebung zu treffen. Pfarrer Gottfried Spieth wurde vom Kirchenrat Anfang August zu einem Gespräch aufgeboten, das schliesslich den Weg zu einer einvernehmlichen Trennung mit einem versöhnlichen Abschiedsgottesdienst am Sonntag, 10. August 2025 in der Kirche Diessenhofen ebnete.  

Ernst Ritzi

 

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