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Menschenrechtstag in Olten

Lisa Christ: «Es ist ein grosses Privileg, dass wir in der Schweiz Meinungsfreiheit geniessen»

von Tilmann Zuber
min
03.12.2025
Die preisgekrönte Kabarettistin Lisa Christ bringt mit Witz gesellschaftliche Missstände auf die Bühne. Am 7. Dezember tritt sie anlässlich des Menschenrechtstags in Olten auf. Im Gespräch erzählt sie, warum Humor für sie ein politisches Werkzeug ist.

Lisa Christ, Sie treten am Menschenrechtstag in Olten auf. Was bedeutet Ihnen dieser Anlass?

Ich fühle mich geehrt. Die Menschenrechte liegen mir am Herzen und passen gut zu meinem Schaffen. Letztlich hat jede und jeder eine besondere Beziehung zu ihnen, denn sie betreffen uns alle. Besonders schmerzt es, wenn sie verletzt werden. In der Schweiz erleben wir zum Glück eher selten gravierende Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem sollten wir uns dafür einsetzen, dass es allen Menschen weltweit besser geht.

In vielen Ländern ist Komikerin ein riskanter Beruf, vor allem wenn man Machthaber aufs Korn nimmt. Wie gehen Sie damit um?

Es ist ein grosses Privileg, dass wir in der Schweiz Meinungsfreiheit geniessen. Wir können Satire machen, auch wenn es hier nicht völlig risikofrei ist. Seit ein paar Jahren überlegt man sich stärker, was man wo sagt – auch wegen politischer Veränderungen. Umso wichtiger ist es, sich nicht selbst zu zensieren oder abzuschwächen, nur um niemanden zu verärgern. Das Risiko gehört dazu.

 

Lisa Christ, geboren in Olten, ist eine Schweizer Slampoetin und Autorin. Von 2019 bis 2021 moderierte sie die SRF-Fernsehsendung «Comedy Talent Show». Für ihr Schaffen erhielt sie zahlreiche Preise, darunter 2025 den Salzburger Stier. Ihr aktuelles Bühnenprogramm heisst «Ideal»: www.lisachrist.ch | Foto: Claude Hurni

 

Wie haben sich die Grenzen des Humors verschoben? Worüber darf man keine Witze mehr machen?

Die Toleranz gegenüber diskriminierendem Humor ist gesunken, was ich begrüsse. Humor muss nicht verletzen. Er darf wehtun, aber es macht einen Unterschied, ob man jemandem den Spiegel vorhält oder ihm ein Messer in den Rücken stösst. Gleichzeitig sind manche Themen politisch wieder salonfähiger geworden. Extremen Positionen fehlt oft der Humor. Wer zu dogmatisch wird, verliert die Leichtigkeit.

Gilt das für Rechte wie Linke?

Linke sind oft selbstkritisch und machen Witze über sich. Da ich mich bei den Linken besser auskenne, fällt es mir leichter, zu wissen, was ankommt. Auf rechten Veranstaltungen trete ich nicht auf, man lädt mich dort auch nicht ein.

Kann Comedy die Gesellschaft verändern?

Satire kann Menschen zum Nachdenken bringen. Je mehr sie dazu angeregt werden, eigene Gedanken zu entwickeln, desto handlungsfähiger bleiben sie. Das macht einen Unterschied. Satire ist auch Bildung, besonders die anspruchsvolleren Auftritte. Man konfrontiert das Publikum mit Themen, über die es vielleicht noch nie nachgedacht hat. Das kann unangenehm sein, aber auch lehrreich.

Gibt es Themen, über die Sie keine Witze machen?

Es gibt kein Thema, das grundsätzlich tabu ist. Ich mache aber keine Witze über Dinge, die ich selbst noch nicht verarbeitet habe. Wenn etwas zu nah ist, fehlt mir der Abstand, um es humorvoll zu betrachten. Die Witze kommen erst, wenn ich mich damit auseinandergesetzt habe.

Religiösen Menschen wird oft nachgesagt, sie hätten wenig Humor.

Das sehe ich nicht so. Glaube kann helfen, das Leben mit Gelassenheit und Humor zu nehmen. Es hängt davon ab, wie man den Glauben lebt und was er einem bedeutet.

Würde der Kirche, besonders im Gottesdienst, mehr Humor guttun?

Ich war lange nicht mehr in einem Gottesdienst. Aber generell gilt: Humor, Emotionalität und rhetorisches Geschick helfen immer, wenn man etwas vermitteln will. Die Bibel bietet dafür eigentlich reichlich Stoff.

Zum Schluss: Sind Kabarettistinnen lustige Menschen?

Auf der Bühne, ja. Und humorvoll sind wir auf jeden Fall. Aber nicht in jeder Lebenslage muss man Witze reissen – das wäre auf Dauer sehr nervig.

 

Menschenrechtstag in der Stadtkirche Olten

Am 10. Dezember ist internationaler Menschenrechtstag. Die Feier in Olten findet am vorangehenden Sonntag, dem 7. Dezember, um 15 Uhr in der Stadtkirche St. Martin statt. Eingeladen wird von einem Team aus ACAT, dem Lernforum und der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft.

Zu Gast sind Muhamat Abdelaziz, ein Betroffener aus dem Sudan, die Autorin und Slampoetin Lisa Christ sowie Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz. Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung von Dudelsackspieler Johannes Rösch. Im Anschluss Apéro im Saal. Weitere Infos auf www.olten.ch

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