News aus dem Thurgau

Im Angesicht des unsichtbaren Dritten

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27.07.2022
Pfarrer Markus Aeschlimann hat seine Tätigkeit als Spitalseelsorger im Spital Frauenfeld beendet. An seinem alten Wirkungsort traf er sich zum Gespräch mit Pfarrer Richard Häberlin, dem neuen Spitalseelsorger.

Vieles ist vertraut, dennoch empfindet er bereits eine gewisse Distanz. So beschreibt der langjährige und seit drei Monaten pensionierte Spitalseelsorger Markus Aeschlimann aus Frauenfeld sein Gefühl, als er in der Kapelle im neunten Stock sitzt. «Ich konnte die Arbeit immer gut loslassen», sagt Aeschlimann, der zuvor Gemeindepfarrer in Stettfurt und Lommis war. Der Unterschied zum Gemeindepfarramt liege in der Spezialisierung, führt Aeschlimann weiter aus. Seelsorge mache im Gemeindepfarramt nur einen Teil aus, daneben gebe es viele andere Aufgaben zu bewältigen. Im Spital hingegen sei die seelsorgliche Begleitung der Patientin oder des Patienten zentral. «Die Konzentration darauf hat mir sehr entsprochen und Freude gemacht», lautet das Resümee nach knapp 14 Jahren. Dabei war ihm das Gebet immer eine wichtige Kraftquelle, betont er. Was er ebenfalls schätzte, war die unkomplizierte ökumenische Zusammenarbeit mit dem katholischen Kollegen.

Auch am Wochenende erreichbar
Die Freude an der Seelsorge war es auch, die Richard Häberlin aus Wängi bewog, sich auf die Stelle als Spitalseelsorger zu bewerben. «Am Anfang fühlte ich mich etwas hilflos, und das Zurechtfinden in der Komplexität des Spitals brauchte Zeit.» Inzwischen fühle er sich immer wohler, sagt Häberlin, der vorher Pfarrer in Weinfelden war. Zu Beginn wollte er es besonders gut machen und absolvierte mehr als zehn Besuche pro Tag. Schnell merkte er, dass dies zu viel des Guten war und ihm abends der Kopf schwirrte. Inzwischen hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Wobei Routine wohl das falsche Wort ist, wie sich eben beim Klingeln des Handys von Häberlin bemerkbar macht. «Diesen Ton kennst du sicher noch», sagt Häberlin an Aeschlimann gerichtet. «Als Seelsorger ist man für das Spital oft die erste Adresse, da dieser auch am Wochenende erreichbar ist», sagt Aeschlimann. Das bedeutet: Freizeitaktivitäten mit offenem Handy.

Nicht nur gebend, auch beschenkt
Dafür gebe es nichts zum Vorbereiten, erwidert Häberlin: «Als Gemeindepfarrer laufen viele Aufgaben parallel, der Kopf ist ständig am Planen, und es gibt Sitzungen am Abend. Hier habe ich geregelte Arbeitszeiten.» Er schätzt zudem, dass er bei dieser Tätigkeit näher beim Menschen ist, näher am Leben. Die Leute seien offener und Begegnungen intensiver. Das hat damit zu tun, dass die Menschen meist nur kurze Zeit im Spital sind. Wenn Häberlin einen Krankenbesuch macht, geht er ohne Programm. Was zähle, seien die Person und das Gespräch, um mit dem Gegenüber in Resonanz zu kommen. Aeschlimann bestätigt aus seiner Erfahrung, dass man oftmals nicht nur der Gebende, sondern auch der Beschenkte sei. Häberlin bringt es auf den Punkt, was die Erfahrung beider ist: Wie bei der biblischen Geschichte der Emmaus-Jünger, als plötzlich Jesus gegenwärtig wird, gibt es geschenkte Momente, wenn sich in einer Begegnung etwas ereignet und man die Präsenz des unsichtbaren Dritten – Christus – spürt.

 

(Claudia Koch)

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