«Ich lebe!»
Die 84-jährige Maria Figi aus Wängi fühlt sich auch sieben Jahre nach dem Tod ihres Mannes und trotz Distanz in Coronazeiten von Gott und der Gemeinschaft getragen, auch wenn Kontakte zu Söhnen und Enkelkindern sich meist nur noch auf Telefonate beschränken: «Ich fühle mich nicht allein. Ich habe eine liebe, gute Nachbarschaft und eine soziale Kirchgemeinde.»
Grosser Garten, spontane Gespräche
Sie ist ein Beispiel, wie man das Alter und auch das Alleinsein geniessen kann. Sie sei schon oft gefragt worden, was sie denn mache, was sie mit zwei Worten auf den Punkt bringt: «Ich lebe!» Ihr Glaube sei ihr in dieser Situation eine wichtige Stütze. In der Coronazeit geniesse sie ihren grossen Garten besonders, «obwohl ich einmal gesagt habe, ich heirate nur einen Mann ohne Garten», sagt sie mit einem Augenzwinkern und freut sich, wenn sich spontan Gespräche über den Gartenzaun hinweg ergeben.
Verhängnisvolle Tabu-Themen
Maria Figi belegt es: Reden ist Gold. Ihr Gemeindepfarrer und für Seelsorge zuständiger kantonaler Kirchenrat Lukas Weinhold aus Wängi sieht aber gerade hierin ein doppeltes Problem: Obwohl Einsamkeit und Corona in den Medien immer stärker gewichtet werden, stellt er bei den Menschen fest, dass beides Tabu-Themen sind, über die man nicht wirklich persönlich reden möchte. Das kann verhängnisvoll sein. Marko Hurst bestätigt, dass es hilfreich sein kann, Situationen der Einsamkeit – zum Beispiel wenn man in der Isolation oder Quarantäne ist – «erst einmal so zu akzeptieren wie sie sind». Er ist leitender Arzt der Psychiatrischen Dienste Thurgau und des Thurgauer Kriseninterventionszentrums, das die Corona-Hotline betreut. Er sei aber «zuversichtlich, dass es der Grossteil einigermassen gut verkraftet. Ich versuche, diese Zuversicht zu verkörpern. Das ist wichtig, wenn man therapeutisch tätig ist.»
Lesen Sie hier den ganzen Artikel zum Thema «Einsamkeit».
Hier finden Sie das Insist-Magazin zum Thema «Einsamkeit».
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) Thurgau hat im Zusammenarbeit mit den Landeskirchen und dem Kanton Thurgau eine Videoreihe zum Thema «Einsamkeit» realisiert:
Hier finden Sie weitere Videobeiträge in der SRK-Serie.
Lifestyle – oder die Angst, etwas zu verpassen
Ein Lebensstil aus Südkorea schwappt auf Europa über. «Honjok» nennt er sich, propagiert die Kunst allein zu leben und treibt zuweilen sonderbare Blüten bis hin zur «Hochzeit allein». Er zeigt aber auch, dass – gesund gelebtes – Alleinsein durchaus glücklich machen kann. So wie das Paulus bereits in der Bibel mit der geistlichen Gabe der Ehelosigkeit skizziert hat. Benediktinermönch Gregor Brazerol lädt aufgrund eigener Erfahrungen zu einer biblischen Entdeckungsreise ein. Der Benediktinermönch und Leiter der Klostergemeinschaft Fischingen schreibt im Magazin Insist, dass selbstgewählte Einsamkeit «eine eigene Qualität» habe und «neue Zugänge zum Leben » schenke. Ob das alle «Lifestyle-Einsamen» wirklich so im Fokus haben, wagt Thomas Alder, Jugendbeauftragter der Evangelischen Landeskirche Thurgau zu bezweifeln. Das Singlesein als «hipper» Lebensstil habe auch etwas zu tun habe mit der «Multioptions- Gesellschaft»: «Mir fällt auf, dass sich vor allem junge Menschen gerne alle Optionen bis am Schluss offen lassen, aus Angst, das beste Angebot zu verpassen. Das führt dazu, dass man sich weniger verpflichten möchte.» Indes: Gemäss der Schweizer Einsamkeitsstatistik fühlen sich gerade Jugendliche einsam – fast die Hälfte. Thomas Alder: «Was Jugendliche in ihrem Lebensstil möglicherweise verpassen, ist die Erfüllung, die man nur in tiefen, langjährigen Beziehungen findet». sal
Zum Thema "Glaubensvorstellungen"