News aus dem Thurgau
Evangelischer Kirchentag in Hannover

Blog: Thurgauer berichten vom Kirchentag in Hannover

von Christina Aus der Au
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30.04.2025
Der Kirchenrat der Evangelischen Landeskirche Thurgau besucht vom 30. April bis 4. Mai 2025 den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover: Präsidentin Christina Aus der Au schreibt im Blog über Begegnungen und Erlebnisse.

+++ 4. Mai 2025 +++

Und jetzt ist alles schon vorbei! :-(

Gestern noch war ein voller Tag mit der Bibelarbeit von Pia Hollenstein, langjährige Nationalrätin und "Miss Marple" der Schweiz. Sie kommt als liebenswürdige ältere Dame daher, aber sie hat es geschafft - zusammen mit ihren Kolleginnen aus dem "Verein Klimaseniorinnen", eine Beschwerde gegen den Bundesrat und die verantwortlichen Bundesräte durchzuziehen. Beim Bundesverwaltungsgericht und anschliessend vor dem Bundesgericht sind sie abgewiesen worden. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben sie recht bekommen: die Schweiz muss mehr für den Klimaschutz tun.

Mit ihr zusammen war Sven Giegold, stv. Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Grüne, Mitbegründer von attac Deutschland, langjähriger Europaabgeordneter und bis vor kurzem Staatssekretär bei Robert Habeck. 

Sie setzten sich mit der Auferstehungsgeschichte von Matthäus 25 auseinander - Furcht und Freude bei den Frauen, und vor allem Mut. Und sie erzählten, wo sie Mut brauchten, wo sie zweifelten und was ihnen Hoffnung macht.

Ich habe dann Pia Hollenstein zum Bahnhof begleitet, und während der halbstündigen U-Bahn-Fahrt haben wir uns angeregt über assistierten Suizid und das gute Sterben unterhalten. Eine eindrückliche Frau!

Dann ein Blick ins Programm: Was passt jetzt noch? Ein Theater am Ballhausplatz spielt "Die deutsche Identität". Sehr schön, das wollte ich doch schon lange einmal ergründen. Lange Schlange auch hier, aber Geduld bringt Rosen, und ich schaffe es unter die zugelassenen 200 Personen. Beim Warten spricht mich jemand an: Matthias Bolliger aus der KiVo Weinfelden! Sie sind mit einer kleiner Gruppe hier und finden es auch toll. Das Theater ist eindrücklich, ein gnadenloser Ritt durch die deutsche Geschichte mit zwei exemplarischen Biographien von Personen, die im Dritten Reich ermordet wurden. Angesichts der aktuellen Meldung, dass der Verfassungsschutz die AfD als ganzes nun als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hat, ein jedenfalls sehr brisantes Thema.

Zurück auf die Messe, wo wir ein absolut hammermässig-wunderbares Konzert der Geigerin Anna Dorothea Mutterer zusammen mit dem Pianisten Timo Böcking besuchen. Ein Crossover von Jazz, Klassik, Pop und Kirchenchorälen .. einfach wunderbar.

Musik war auch bei meinen Kirchenratskolleginnen ein Thema, Paul schickte gestern ein Video von gregorianischem Gesang in der Gartenkirche, dann waren sie offenbar noch am Maschsee, wo sie sich dann bei der Heimfahrt die U-Bahn-Wagen mit Billie Eilish-Fans teilten... die allerdings nicht singen, sondern sich gegenseitig ihre Aufnahmen zeigen.

Paul und Ruth mussten sich am Nachmittag schon auf den Heimweg machen. Gerda erwischt noch einen Platz im Musikdrama "The Angel of the East", ein modernes Stück zu Offenbarung 7, und steht dann in der Schlange für ein Synphoniekonzert, von dem sie dann ganz erfüllt in unserem Whatsapp-Chat berichtet.

Ich musste zurück ins Hotel, hatte ja dann noch Präsidiumssitzung, Lob und Kritik an den Veranstaltungen. Dann sauste ich los zum Busbahnhof, wo der Flixbus uns über Nacht nach Hause brachte.

Schlafen war jetzt nicht so prickelnd ... heute abend wird es nicht spät. Aber ich werde bestimmt vom Kirchentag träumen, alle meine Begrüssungen und Moderationen nochmals durchleben, die Musik hören - und mich beim Aufwachen morgen freuen, von meinen "Gspänli" dann live zu hören, wie ihnen ihr ersten Kirchentag gefallen hat.

Das wars mit diesem Blog, ich hoffe, Euch hats auch gefallen, den Kirchentag mitzulesen - live dabeisein ist natürlich viel viel schöner! Weitere Fotos wie immer auf dem Instagram-Profil der Evangelischen Landeskirche Thurgau!

2027 findet der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag in Düsseldorf statt, Mai oder Juni, das genaue Datum ist noch nicht draussen. Reservierts noch mal ... und sprecht die Pfarrerin/den Diakon Eures Vertrauens darauf an. Vielleicht haben ja noch mehr aus Eurer Gemeinde Lust bekommen!

Pia Hollenstein von den Klimaseniorinnen.

 

+++ 2. Mai 2025 +++ (eigentlich schon 3. Mai, da 00:24 Uhr)

"Bergpreis" heute, sagte die Präsidentin, Anja Siegesmund. Die Mitte der Kirchentag-Tage, und es fühlt sich an, als wäre immer schon Kirchentag gewesen. Hannover empfängt uns wirklich mit offenen Armen, die Menschen sind so freundlich, obwohl wir ihre Stadt gerade füllen, ihre Stadtbahnen verstopfen und ihre Plätze und Kirchen belegen. Heute habe ich hinter mir einen jungen Hannoveraner zu seiner Freundin sagen hören: "Ist so'n Christentreffen hier. Wusst ich auch nicht. Aber ganz gute Vibes!" Genau so. 

Am Morgen - nach dem Frühstück mit den Kirchenoberen im Umfeld - Bibelarbeit auf dem Weg - wirklich auf dem Weg, mit Jesaja 29 und Studierenden, die am Weg standen und laut (laut!) die Verse gelesen haben. Jeder und jede ein paar, und einfach so, in der Stadt, an den Strassen, vor den Häusern, erhielten diese Verse eine ganz besondere Relevanz.

Dann Podium "Gott, Mensch und KI" mit Christiane Tietz, welche die Studierenden in Zürich jetzt schon vermissen ... sie war dort Systematikprofessorin und ist jetzt Bischöfin in Hessen und Nassau. Und mit Beth Singler, auch fast eine Schweizerin, weil nämlich Assistenzprofessorin für Digital Religion an der Uni Zürich. Und Armin Grunewald, altgedienter Technikphilosoph und Technikfolgenabschätzer. Leider alle etwa derselben Meinung, "KI ist Technik, alles andere ist Animismus", aber jedenfalls sehr unaufgeregt und differenziert.

Und anschliessend zum Schweizer Apéro, zu dem die EKS geladen hat. Viele, viele Schweizer und Schweizerinnen, einige mit grossem Hallo begrüsst, andere neu kennengelernt. Beides sehr nett. Unseren Thurgauern und Thurgauerinnen geht es gut, neben den Mitgliedern des Kirchenrates sind ja auch Hanspeter Rissi, Diakon in Kreuzlingen (und EKS-Synodaler) mit viel Kirchentagserfahrung und Daniel Frischknecht, unser neuer Fachstellenleiter Gemeindeentwicklung, mit dabei. Das macht es noch spannender, weil alle auf ihren eigenen Pfaden unterwegs sind und sich immer wieder Fotos und Blitzlichter whatsappen.

Ich kriege nur noch mit, dass sie sich in der Gartenkirche zu gregorianischem Gesang treffen und dann mit den Billie Eilish-Fans (die hatte heute tatsächlich ein Konzert in Hannover, gleich neben unserem Hotel, war tooootal ausverkauft) in der U-Bahn nach Hause gefahren sind.

Selber wurde ich von den "Freunden und Freundinnen des Kirchentags" auf dem Bahnhofplatz noch interviewt - der Kirchentag ist nicht selber Kirche, sondern ein Verein, der immer wieder Mitglieder wirbt. Und ganz am Abend, nach viel Rumlaufen, ich hätte zweifellos 10'000 Schritte locker erfüllt, ans Konzert der Quintense, einer Acapella-Truppe, die uns nochmals etwas aufzuwecken vermag.

Dann von 22 bis fast 24 Uhr noch Präsidiumssitzung, Erfahrungsaustausch und Learnings ... bin ja nicht zum Vergnügen hier. Und jetzt ab ins Bett.

 

Zentrum Diakonie.

 

+++ 1. Mai 2025, 23:53 Uhr +++

Heute Morgen durfte ich Priscilla Schwendimann begrüssen, die Regenbogenpfarrerin, die aber so viel mehr ist, und die eine richtig spannende und gut gehaltene Bibelarbeit zu Markus 7 gehalten hat. Ihr wisst schon, die Syrophönizierin, deren Bitte Jesus abbügeln wollte mit dem Hinweis auf den Unterschied zwischen Kindern und Hunden. Priscilla hat die radikale Menschlichkeit des erschöpften Jesus herausgearbeitet - und die Weisheit der Frau, die mit ihren Worten (dem Logos!) Jesus zum Umdenken brachte. Dazu eine spannende Band, mit dem schönen Namen "Die alte Dame und der Herr Mond", deren Bandleaderin in ihrem sonstigen Leben verantwortlich ist für das Konzept der Kirche Kunterbunt in Bayern - das ist Kirchentag.

Von den anderen Kirchenrät*innen erhalte ich derweilen Whatsapp-Fotos, sie scheinen es zu geniessen, Ruth war an einer Bibelarbeit zum Mittanzen, Paul an einem Podium zur Altersplanung ("Gott schickt nicht in Rente" - ich hoffe, er kommt mit einem Plan gegen den Fachkräftemangel zurück ...) und Gerda schickt Bilder vom Maschsee. Sehr schön.

Übrigens: Aktuelle Bilder vom Deutschen Evangelischen Kirchentag gibt es auch laufend auf dem Instagram-Profil der Evangelischen Landeskirche Thurgau!

In Hannover ist rundherum Kirchentag.

 

Mein zweiter Tagesordnungspunkt war das Referat von Thorsten Dietz in der Gartenkirche (wunderschöner alter Friedhof), der über "Glaube in der säkularen Welt" sinniert hat. Die Warteschlange war schon eine Stunde vorher länger als diejenige vor der Eisdiele, und die Kirche war denn auch total überfüllt. Aber Thorsten hat geliefert, seine Biographie ist schon ein Anschauungsstück zum Verhältnis "Kirche und Welt"; und die Anwält*innen des Publikums hatten alle Hände voll zu tun, die Frage zu ordnen und zu "clustern".

Dritter Termin: die Begrüssung von Giora Feidmann in einer riesigen Messehalle, auch dort die Warteschlangen lang, die Leute allerdings eher älter. Mit etwas Verspätung kam er dann an mit seinen Musikern (Cellist und Pianist, auch zum Niederknien), er selber vor fünf Tagen 89 Jahre alt geworden, auf der Klarinette unglaublich virtuos, persönlich supersüss und charmant, und sehr engagiert für den Weltfrieden. Hat letztes Jahr den deutschen Pass erhalten (stammt ursprünglich aus Argentinien, ist mit 21 nach Israel ausgewandert), weil er damit ein Zeichen setzen wollte für das Verhältnis von Juden und Deutschen.

Meine Thurgauer Kolleg*innen waren in der Zeit am Konzert von Bodo Wartke ... wäre ich auch gerne mit dabeigewesen.

Dann an der Hotelbar noch die "alte Crew" getroffen, die damals in Berlin 2017 mit dabei war. Sehr schön. Und jetzt falle ich ins Bett, nachdem ich noch die dazugehörigen Fotos auf Insta geladen hab. Morgen mehr.

 

+++ 30. April, 00:02 Uhr +++

"Der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag ist eröffnet!" Wie cool war das, diese Worte am Opernplatz zu etwa 15'000 Menschen zu sagen! Und wie schön war der Gottesdienst und die Predigt von Evelyne Baumberger über den resignierten Daniel und die Zusage Gottes: Du bist mein geliebter Mensch!

Die drei "Kirchentags-Neulinge", so der O-ton des alten Hasen Hanspeter Rissi, der sie etwas unter seine Fittiche genommen hat, sind dann an die Leine herunterspaziert, den Fluss mit erstaunlich schönen Ecken. Ich selber bin durch die Strassen geschlendert und habe gefühlt an jeder Ecke Schweizerdeutsch gehört! Die St. Galler sind hier, die Berner, das Reflab ... wir haben schon gewitzelt, dass wir die lange Reise nach Hannover nur deswegen gemacht habe, damit wir uns wieder einmal sehen :-) Und ich treffe auch andere, ganz alte Bekannte, unglaublich, unter hunderttausend Menschen einfach so.

Nachher hats mich wieder zurück an den Opernplatz gezogen, ans Konzert des jungen Vokalensembles Hannover und der Big Band "Fette Hupe", die Duke Ellington Songs gejazzt haben. Dann der Abendsegen. Nochmals die Musiker und Musikerinnen von vorher, aber nun warm und leise. Kerzen für alle. Und ein Segen.

Zum Schluss dann das Gegenprogramm ... gefühlte Zehntausend Menschen wollen in die U-Bahn. Aber der Kirchentag ist die Zeit für Wunder, alle passen hinein. Und noch ein Wunder: beim Aussteigen treffe ich Christian Stäblein, den Bischof der EKBO, mit dem ich damals 2017 in Berlin so wunderbar zusammengearbeitet hatte. Wie schön!

 

+++ 30. April 2025 +++

Der Thurgauer Kirchenrat ist unterwegs zum Deutschen Evangelischen Kirchentag! Im gut gefüllten Zug Zürich-Hannover, wo nicht wenige Mitpassagiere und Mitpassagierinnen in der Kirchentagsapp herumwischen und sich das Programm für die nächsten vier Tage zusammenstellen. Podiumsdiskussion über KI oder doch lieber über die Globalisierung? Jazzkonzert oder Mitsingpop? Bibelarbeit von Winfried Kretschmann oder von Priscilla Schwendimann? Fragen über Fragen ...

Wir haben uns schon auf ein paar Eckpunkte verständigt. Und werden die Leserinnen und Leser mitnehmen in vier pralle, bunte, nachdenkliche, fröhliche und auf jeden Fall immer lebendige Tage in Hannover. Bleibt dran!

 

 

Autorin Christina Aus der Au

Christina Aus der Au

 

Die 58-Jährige ist Theologin und Kirchenratspräsidentin der Evangelischen Landeskirche Thurgau. Sie gehört dem Vorstand des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags an und war Präsidentin der 36. Auflage in Berlin und Wittenberg im Jahr 2017.

 

 

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